Die Strafe des Seth
etwas gefragt und erwarte eine Antwort von dir!«, brüllte er, doch Amunhotep schwieg.
Mit einem verlegenen Räuspern machte Ramose auf sich aufmerksam. Als der Pharao ihm fragend den Blick zuwandte, sagte er: »Bitte, Majestät, erlaube mir, das Wort an meinen geschätzten Amtskollegen zu richten.« Er war ein paar Schritte auf den Thron des Königs zugetreten und wartete auf dessen Zustimmung.
»Meinetwegen, Ramose. Vielleicht gelingt es dir, ein paar Antworten aus diesem verstockten Priester herauszuholen.«
»Ich danke dir, Majestät.« Der Erste Prophet des Re richtete das Wort an Amunhotep. »Ich möchte dich darüber in Kenntnis setzen, dass Seine Majestät weiß, wer deine Gemahlin ist und dass sie von Osiris erwählt wurde, dem König zu dienen. Diese Information hat schon dem Dritten Propheten, deinem Freund Netnebu, geholfen, Seiner Majestät auf seine Fragen allumfassend zu antworten.«
Ein kurzer Seitenblick auf den alten Priester war alles, was Amunhotep auf diese Bemerkung tat.
Seufzend fuhr Ramose fort: »Netnebu erzählte Seiner Majestät den genauen Hergang des Morgens, nachdem euch tags zuvor die Botschaft über das Eintreffen des königlichen Gefolges erreicht hatte. Er erwähnte auch, dass Meritusir dich mit Schlafmohn betäubt hatte, damit du sie nicht an ihrer Abreise hindern kannst. Du hingegen folgtest ihr noch am gleichen Tag.« Freundlich lächelnd sah er den jüngeren Priester an. »Ist es so, Amunhotep? Ist Meritusir zum Großen Gott Osiris zurückgekehrt?«
»Oder hast du sie getötet, damit ich sie nicht bekomme?«, polterte Ramses-Sethherchepeschef aufgebracht dazwischen.
Verstört hob Amunhotep den Blick zu ihm. »Du glaubst, ich hätte meine Gemahlin ermordet? – Du musst den Verstand verloren haben, Sethi!« Amunhotep war so außer sich vor Wut, dass er alle Höflichkeit und den nötigen Respekt dem Herrn der Beiden Länder gegenüber vergaß. »Ich hätte eher dich erdolchen können, als dass ich meiner Frau ein Leid hätte antun können«, knurrte er. »Doch wenn du inzwischen über alles unterrichtet bist, kann ich es dir nun bestätigen: Ja, Sethherchepeschef, Meritusir ist für immer fort. Sie ist dahin zurückgekehrt, von wo sie in Osiris’ Auftrag gekommen ist. Du wirst sie niemals in den Armen halten geschweige sie jemals besitzen.« Er lachte höhnisch, und dem Pharao trieb es die Zornesröte ins Gesicht.
»Du wagst es, mich zu verhöhnen? Das wirst du bereuen!«
Er betätigte den Gong, und sein Schreiber und die beiden Soldaten erschienen augenblicklich wieder im Saal. Der eine ließ sich zu Füßen des Pharaos nieder, während die Getreuen Amunhotep in ihre Mitte nahmen.
»Ich enthebe dich all deiner Ämter«, giftete Ramses-Sethherchepeschef. »Gib meinem Schreiber deinen Ring und den Amtsstab, und dann gehe mir aus den Augen! Du wirst bis zu meiner Rückkehr aus dem Süden unter Arrest gestellt werden. Ich halte dir deine bisherigen hohen Ämter zugute und lasse dich nicht wie einen gemeinen Verbrecher ins Gefängnis werfen. Du kannst dich auf deinem Anwesen in Theben frei bewegen, doch wirst du es nicht verlassen. Meine Getreuen werden Tag und Nacht über dich wachen, bis ich wieder zurück bin, um über dich zu richten.« Sein Blick schweifte zum Großen Sehenden. »Tritt vor, Ramose. Ich ernenne dich hiermit zum Hohepriester von Abydos und Ersten Propheten des Großen Gottes Osiris.«
Ramses-Sethherchepeschef reichte dem alten Priester die Zeichen seiner neuen Würde.
Dankend verneigte sich Ramose und steckte sich lächelnd den goldenen Ring auf den Mittelfinger seiner rechten Hand.
Mit einem Wink gab Ramses-Sethherchepeschef derweil den Soldaten zu verstehen, dass sie Amunhotep abführen sollten.
Sich tief verneigend folgte ihnen der Oberste Schreiber.
»Was hast du mit Amunhotep vor?«, fragte Ramose, nachdem sich die Türen hinter den Männern geschlossen hatten.
»Das weiß ich noch nicht, doch dieser freche Priester kommt mir nicht ungestraft davon. Ich werde ihm zeigen, wer von uns beiden der Mächtigere ist.«
»Ohne Zweifel, du, Majestät.« Ramose konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. »Dennoch, ich glaube ihm, dass seine Gemahlin zu Osiris zurückgekehrt ist. Ihre Aufgabe hier auf Erden ist beendet. Der Gott hat sie zurückbefohlen.«
»Und wenn Amunhotep lügt? Warum hat er versucht, seine eigenen Leute und auch Merenptah zu täuschen?«
»Weil er nicht anders konnte, Majestät. Er musste ihnen einen Grund geben, warum Meritusir
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