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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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das heißen, Merenptah? Hast du ihre Leiche mit eigenen Augen gesehen?«
    »Nein, Majestät. Sie wurde von einem Löwen angefallen und gefressen.«
    »Und das soll ich dir glauben?«
    Verstört nickte der Prinz, der über den Wutanfall des Königs genauso erschrocken war wie Senbi, Ramose und der Oberste Schreiber, der mit gekreuzten Beinen am Fuße des Thronpodestes auf dem Boden saß und alles aufzeichnete.
    »So zumindest erzählte es mir Amunhotep«, wagte er zu erwidern.
    »Ach, Amunhotep hat es so erzählt.« Ramses-Sethherchepeschef kochte vor Zorn. »Hast du nach ihr gesucht?«
    »Ja, Majestät. Meine Männer waren ganze vier Tage unterwegs und haben die Landschaft durchstreift, doch sie konnten weder die Priesterin noch den Löwen finden.«
    »Sind sie auf Blutspuren gestoßen?«
    Merenptah schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ungewöhnlich«, versuchte er einen Erklärungsversuch, doch sein Onkel gebot ihm, zu schweigen.
    »Du findest es also nicht ungewöhnlich, Merenptah? Ich hingegen schon. Nach meinem Dafürhalten ist es schon recht seltsam, dass es keinerlei Hinweise auf den Angriff des Löwen gibt, außer natürlich den Bericht des Hohepriesters.«
    »Das zerfetzte Kleid, Majestät. Es ist über und über mit Blut besudelt«, wagte der Prinz zu erwidern, doch auch das konnte seinen Onkel nicht besänftigen.
    »Das Blut kann auch von jemand anderem sein, doch vielleicht ist es tatsächlich von Meritusir.« Ramses-Sethherchepeschef machte eine Pause und sah in die Runde. »Erscheint es nur mir äußerst unwahrscheinlich, dass ein Löwe die Zweite Prophetin anfällt, bevor er sie aber mit Haut und Haaren frisst, entkleidet er sie erst einmal? – Wo ist Amunhotep?«
    »Er befindet sich unter Bewachung in einem Gemach des Palastes«, erwiderte der Wesir, der auf Befehl des Königs nach Theben gekommen war, um an den Neujahrsfeierlichkeiten teilzunehmen.
    »Man soll ihn herbringen. Ihr anderen könnt gehen. – Du«, wandte sich der Pharao seinem Schreiber zu, »wartest vor der Tür, falls ich dich noch brauche!«
    »Majestät«, wagte der Große Sehende des Re, das Wort an Ramses-Sethherchepeschef zu richten, »bitte erlaube mir, bei Amunhoteps Verhör anwesend zu sein. Ich bin in die Geheimnisse der Priesterschaft eingeweiht und werde dir mit meinem Wissen zur Seite stehen.«
    Ramses-Sethherchepeschef warf Ramose einen missbilligenden Blick zu. Soeben hatte der Hohepriester ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er mehr wusste als er, der Herr der Beiden Länder.
    Er schluckte den abermals aufkommenden Zorn hinunter und nickte. Auch wenn sich Ramose eine bodenlose Frechheit herausgenommen hatte, er hatte recht. Er, Sethi, war noch nicht in alle Geheimnisse eingeweiht. Vielleicht war es besser, wenn auch ein Priester Zeuge der Vernehmung wäre.
    »Ich erlaube dir, mir zur Seite zu stehen«, knurrte er, nachdem sich die anderen Männer zurückgezogen hatten, »aber wage es nie wieder, mich vor meinen Untertanen als unwissend hinzustellen. Das nächste Mal wird es dir schlecht ergehen!«
    »Bitte, verzeih, Majestät. Meine Wortwahl war unpassend. Es wird nie wieder vorkommen.« Entschuldigend verneigte sich Ramose, dem bewusst wurde, dass er zu weit gegangen war.
    »Das will ich dir auch nur raten!« Ramses-Sethherchepeschef sah den Hohepriester des Re drohend an. »Du wirst schweigen, während ich Amunhotep befrage, und nur reden, wenn ich dir die Erlaubnis dazu erteile. Hast du mich verstanden?«
    Ergeben neigte der alte Priester abermals den Kopf und zog sich bescheiden in eine Ecke des Audienzsaals zurück.
    Als sich die Tür wieder öffnete, trat Amunhotep von zwei Soldaten flankiert in den Raum.
    Ramses-Sethherchepeschef gab den Getreuen ein Zeichen, dass sie sich zurückziehen sollten, und winkte den ersten Osiris-Propheten vor seinen Thron.
    Widerwillig folgte Amunhotep der Aufforderung und machte seinen Kniefall. Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis Ramses-Sethherchepeschef ihm erlaubte, sich wieder zu erheben.
    »Sage mir, warum du mit deiner Gemahlin geflohen bist«, kam er sofort zur Sache. »Hing es mit meiner Nachricht zusammen, dass ich nach Abydos kommen werde?«
    »Es war keine Flucht«, widersprach Amunhotep.
    »Ach nein? Was war es dann?« Ramses-Sethherchepeschef musterte den Osiris-Priester, dem es vergönnt gewesen war, die von ihm vergötterte Frau in den Armen zu halten und mit ihr einen Sohn zu zeugen. Wut und Hass begannen, in ihm hochzusteigen. »Ich habe dich

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