Die Strafe des Seth
waren zwei Soldaten an seiner Seite und zwangen ihn erneut vor dem Wesir auf die Knie. »Du vergehst dich an einem Kind! Mein Sohn ist erst fünf Jahre alt. Selbst wenn ich mit all dem etwas zu tun hätte, so ist er durch sein Alter von jeglicher Schuld befreit.«
»Schweig, Amunhotep!«, donnerte Senbi. »Usirhotep ist dein Sohn. Er ist ein Teil von dir. Und da du zu solch abscheulichen Taten fähig bist, kann niemand ausschließen, dass er es nicht auch sein wird, wenn er erst einmal alt genug ist.« Senbi ballte die Fäuste und atmete schwer. »Es wird niemand Hand an ihn legen. Genau wie dir erspare ich ihm die Schande der öffentlichen Hinrichtung. Du bekommst drei Tage Frist, das Urteil selbst zu vollstrecken. In dieser Zeit werdet ihr beide in einer kleinen Zelle im Bereich des Palastes untergebracht werden, wo dir, entsprechend deinem ehemaligen Rang, alle Annehmlichkeiten in Bezug auf Speisen und Trank zugestanden werden. Doch nach Ablauf dieser Frist wirst du das Urteil an dir und deinem Sohn vollstrecken oder die Soldaten Seiner Majestät werden es tun!«
»Du willst mich zwingen, meinen eigenen Sohn zu töten?« Amunhotep war rasend vor Wut und Schmerz.
»Entscheide dich, wie du willst, Amunhotep, aber bevor Re am Abend des dritten Tages von Nut verschluckt wird, werdet ihr beide sterben! Die Verhandlung ist beendet. Die Gefangenen werden bis zur Bestätigung der Urteile durch den Pharao in ihre Zellen zurückgebracht.«
Senbi umfasste seinen Amtsstab und klopfte dreimal auf den gefliesten Boden, während kräftige Hände die beiden Verurteilen packten, um sie aus dem Saal zu zerren.
* * *
Noch am selben Tag begab sich der nach Theben geeilte Netnebu zum Palast des Königs und bat um eine Audienz, die ihm der Pharao gewährte.
»Bitte, Majestät«, flehte der Dritte Prophet des Großen Gottes Osiris, »du darfst diese Urteile nicht unterzeichnen. Amunhotep hätte niemals gewagt, die Hand gegen dich zu erheben. Er ist ein gehorsamer und treuer Untertan Deiner Majestät. Er hat auch nicht seine Gemahlin getötet. Du weißt, wer sie war. Das hast du mir bei unserem Gespräch in Abydos selbst gesagt«, versuchte er den Herrscher umzustimmen.
Ramses-Sethherchepeschef nickte bedächtig. »Ich weiß, was damals gesprochen wurde.«
Erleichtert atmete Netnebu auf. »Dann bitte ich dich, Majestät, wende das harte Urteil von Amunhotep, seinem Sohn und seinem Hausverweser ab.«
»Es ist bereits von mir unterschrieben worden«, entgegnete Ramses-Sethherchepeschef, und Netnebu erblasste.
»Majestät, du bist der Herr der Beiden Länder. In deiner Macht steht es, hart zu strafen, aber auch Gnade walten zu lassen. Nimm die Urteile zurück oder mildere sie wenigstens ab.«
»Mit welcher Begründung sollte ich das tun?«
»Du bist niemandem eine Begründung schuldig, Majestät. Du bist der lebende Gott. Was du tust und sagst, ist richtig. Niemand wird sich dagegen auflehnen.«
»Das stimmt nicht ganz, Netnebu. Ich bin den Göttern Rechenschaft schuldig. Sie richten über mich, so wie ich über euch Sterbliche richte. Niemand entgeht seiner gerechten Strafe. Deshalb kann ich deinen Freund nicht begnadigen. Er ist schuldig, den feigen Anschlag auf das Leben Meiner Majestät befohlen zu haben.«
Dem Osiris-Priester stockte der Atem. Er glaubte nicht, was er soeben gehört hatte. Was veranlasste den Pharao anzunehmen, Amunhotep hätte ihn töten wollen? Zudem fragte er sich, ob sich Sethi in die Hand eines Gottes begeben hatte. Er sprach von Rechenschaft den Ewigwährenden gegenüber und von gerechter Strafe. Amunhotep war unschuldig. Das stand für Netnebu außer Frage. Und selbst wenn er sich über all die Jahre in der Ehrbarkeit seines Freundes getäuscht haben sollte, so durfte dessen Sohn nicht mit dem Tode bestraft werden.
Ihn fröstelte.
»Majestät«, wagte er verzweifelt einzuwenden, »warum sollte er das getan haben?«
»Weil er wütend auf mich ist, dass ich ihm seine Gemahlin nehmen wollte.«
»Meritusir ist zu den Göttern zurückgekehrt«, erinnerte Netnebu den Pharao. »Es ist völlig egal, ob du sie begehrt hast oder nicht. Sie ist fort. Ihre Zeit auf Erden ist abgelaufen. Das ist dir bekannt.«
»Ach ja?«
Netnebu hob verwundert die Brauen. »Du hast in Abydos gesagt, dass auch du das glaubst. Deshalb wolltest du Amunhotep nicht bestrafen. Er ist nur aus Liebe seiner Gemahlin gefolgt. Auch versprachst du mir, dass du dich nicht an ihm rächen wirst, nachdem du nun wüsstest, dass
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