Die Strafe des Seth
sie dem Gott zur Gemahlin geben wollte.
Als sich die Tempeltore hinter ihnen schlossen, bewegte die Zurückgebliebenen die Frage, ob Amun-Re die Prinzessin als seine neue Gemahlin anerkennen würde.
Niemand zweifelte daran.
Königin Isis fühlte sich seit dem Tod ihres Mannes und ihrer beiden Söhne nicht mehr in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen. Mit der erstgeborenen Tochter von Ramses-Sethherchepeschef würde wieder eine junge, starke Frau dem Gott zur Seite stehen. Fortan würde sie die Pflichten der Ersten aller Priesterinnen der Beiden Länder übernehmen.
Nach einer endlosen Zeit des Wartens öffneten sich wieder die Tore.
Der Pharao erschien in Begleitung des Zweiten Propheten.
Amenophis trug ein weißes Laken in den Händen und hielt es in die Höhe, damit jeder den roten Fleck in der Mitte sehen konnte.
Lautstarker Jubel brandete auf. Amun-Re hatte die Prinzessin zur Gemahlin erwählt.
Ramses-Sethherchepeschef war innerlich amüsiert.
Immerhin war allgemein bekannt, dass seine Tochter bereits verheiratet und Mutter eines Sohnes war. Es handelte sich um ein uraltes Ritual, das noch immer durchgeführt wurde, obwohl die wenigsten der Gottesgemahlinnen bei ihrer Ernennung noch unberührt waren. Das Volk störte sich nicht daran, und die Götter scheinbar ebenfalls nicht. Die Ewigwährenden waren zufrieden, und seine Untertanen freuten sich über zwei freie Tage, in denen sie durch die Tempel verköstigt wurden.
* * *
Bevor sich Ramses-Sethherchepeschef zurück ins Delta begab, ließ er sich ins Königstal bringen, um sich über den Fortgang der Arbeiten an seinem Haus für die Ewigkeit zu informieren.
Die Steinhauer waren fünfundsechzig Ellen in den Felsen vorgedrungen. Trotzdem machte Ramses-Sethherchepeschef ein finsteres Gesicht, denn die Arbeit der Maler ging nur schleppend voran.
»Was ist geschehen?«, fragte er verstimmt seinen Obersten Baumeister, der beschämt den Blick senkte.
»Es gab Schwierigkeiten, Majestät.«
Die Miene des Herrschers verdüsterte sich. »Und welche? Meinem Wesir sind keine zu Ohren gekommen.«
»In den vergangenen Monaten kam es des Öfteren zu Überfällen durch herumstreichende Räuberbanden«, erklärte der Beamte. »Es ist sogar vorgekommen, dass einer der Steinhauer, der an seinem freien Tag hinab ins Tal stieg, um am Westlichen Haus eines deiner Beamten zu arbeiten, überfallen, geschlagen und beraubt wurde. Danach begannen die Arbeiter sich zu fürchten, und weigerten sich, die nächsten zwei Wochen zur Arbeit zu gehen.«
»Ich hatte befohlen, dass man sie durch die Medjai und die Soldaten Meiner Majestät ausreichend beschützt«, erinnerte Ramses-Sethherchepeschef. »Wurde das nicht gemacht?«
»Doch, Majestät, aber ...«, druckste der Baumeister herum.
»Aber was?«, donnerte der König wütend.
Der Beamte duckte sich. »Die Männer hatten dennoch Angst. Selbst die Androhung empfindlicher Strafen konnte sie nicht dazu bewegen, ihrer Arbeit nachzugehen.«
»Ungehorsames Pack!«, zischte Ramses-Sethherchepeschef und stieg wieder hinauf ans Tageslicht. »Warum wurde mein Wesir darüber nicht informiert?«, wollte er wissen, als er vorm Zugang zu seinem Grab auf seinen Wagen stieg.
»Vergib mir meine Nachlässigkeit, Mächtiger Horus«, winselte der Oberste Baumeister, der sich noch sehr gut an das Schicksal eines seiner Vorgänger unter Osiris Ramses VII. erinnern konnte. Dieser war genau aus dem gleichen Grund seines Amtes enthoben worden. »Es wird nie wieder vorkommen, Majestät. Das schwöre ich bei meinem Schutzgott Ptah.«
Er war vor dem Gefährt des Pharaos auf die Knie gefallen und hatte die rechte Hand auf die Stelle gepresst, wo sich sein Herz befand.
Missmutig sah Ramses-Sethherchepeschef auf ihn herab und gab ohne jegliche Erwiderung seinem Wagenlenker ein Zeichen, zum Grab von Meritusir zu fahren.
Mit gemischten Gefühlen betrat er wenig später das Westliche Haus, das Meritusir und Amunhotep von seinem Neffen geschenkt bekommen hatten. Überall entlang der Gänge waren die Namen und Titel des Hohepriesters entfernt oder unkenntlich gemacht worden. Als er die Sargkammer betrat, blieb er stehen und starrte auf den riesigen schwarzen Sarkophag, in dem niemand lag.
»Warum musstest du von mir gehen?«, flüsterte er wehmütig und trat auf ihn zu. Beinahe liebevoll strichen seine Hände über den kühlen glatten Granit. Dann verdrängte er seine sehnsüchtigen Gedanken und sah sich um.
Auch in dieser Kammer waren alle
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