Die Strafe des Seth
ebenso seine Pflicht wäre, dass Heiligtum des Amun-Re weiter zu verschönern und seine Schatzkammern zu füllen.
Missmutig zog Ramses-Sethherchepeschef die Stirn in Falten. »Ist Opet-sut nicht schon reich genug?«
Verlegen senkte Amenophis den Kopf. »Amun freut sich über jede Gabe, vor allem, wenn sie von Herzen kommt.« Er wagte, den Blick zu heben, und sah den König treuherzig an. »Majestät, seit alters her ist es üblich, dass jeder Pharao den Tempel von Opet-sut verschönert. Der Hohepriester erzählte mir, dass Amun-Re bei seinem diesjährigen Auszug traurig auf seine Barke geschaut hätte. Sie ist alt und sollte erneuert werden.«
»Ach wirklich? Das muss mir wohl entgangen sein.« Ramses-Sethherchepeschef musterte den Zweiten Propheten missgelaunt. »Wo steckt eigentlich dein Bruder? Ich hatte heute Nesamun an meiner Seite erwartet.«
»Er lässt sich entschuldigen, Majestät«, entgegnete Amenophis. »Die Trauerzeit hat gerade erst begonnen.«
»Die Trauerzeit?« Die Stimme des Königs glich dem rauen Knurren eines Raubtiers. »Wagt er es, um seinen Sohn zu trauern, der sich des schändlichsten Verbrechens schuldig gemacht hat, das man in den Beiden Ländern begehen kann?«
Amenophis schluckte schwer und nickte. »Vergib ihm, Mächtiger Horus. Was immer Amunhotep auch getan haben mag, er war sein Sohn und Usirhotep sein Enkel.«
»Deshalb hat er den beiden auch das Sterben erleichtert«, stellte Ramses-Sethherchepeschef grimmig fest, und sein Blick bohrte sich in den Schatzmeister des Großen Gottes Amun-Re.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, log Amenophis und heuchelte Verständnislosigkeit.
»Oh, ich denke, dass du weißt, wovon ich spreche. Dein Bruder war der Letzte, der Amunhotep und seinen Sohn besucht hat. Als die Wachen die Leichen fanden, konnten sie keinerlei Verletzungen feststellen. Zudem war kein Blut am Dolch. Der Oberste Arzt stellte fest, dass sie sich mit Gift das Leben genommen haben.« Ramses-Sethherchepeschef machte eine Pause und musterte den Zweiten Propheten aufmerksam, doch Amenophis verzog keine Miene. »Woher hatte Amunhotep das Gift?«
»Diese Frage kann ich dir nicht beantworten, Majestät. Jeder kann infrage kommen, es ihm gegeben zu haben. Du kannst meinen Bruder dafür nicht schuldig sprechen. Außerdem, ist es nicht einerlei, wie die beiden gestorben sind?« Bittend sah Amenophis zum Herrn der Beiden Länder. »Amunhotep hat sich und seinen Sohn gerichtet. Sie sind tot, Majestät, und ihr Andenken wird zerstört, so wie du es befohlen hast.«
»Richtig, Amenophis, so wie ich es befohlen habe«, erwiderte Ramses-Sethherchepeschef kühl. »Ist für morgen alles bereit?«
Amenophis bejahte. »Der Gott kann es kaum erwarten, seine neue Gemahlin begrüßen zu dürfen.«
»Dann soll es geschehen. Zudem richte Amun-Re aus, dass er sich auf eine neue Barke freuen darf. Ich werde sie ihm zu Ehren aus den kostbarsten Hölzern der Ostländer fertigen und mit Gold und Edelsteinen verzieren lassen.«
Dankbar verneigte sich Amenophis und zog sich zurück, um noch die letzten Anweisungen für den folgenden Tag zu erteilen.
* * *
Am nächsten Morgen fand sich kein freier Platz auf dem Vorplatz von Opet-sut. Dichtgedrängt standen die hohen Würdenträger, um dabei zu sein, wenn die Tochter des Pharaos dem Großen Gott Amun-Re als seine neue Gemahlin vorgestellt werden sollte.
Die Prinzessin stammte aus der ersten Ehe des Königs und war zu einer jungen Frau herangereift. Sie hatte geheiratet und einen Sohn geboren, der im Alter von sieben Monaten an einem schlimmen Husten gestorben war. Fast zur gleichen Zeit war ihr Gemahl im Krieg gegen die Fremdländer gefallen. Noch immer trauerte sie um die beiden, doch dem Befehl ihres Vaters hatte sie sich gebeugt.
Von einem Priester in der Rolle des Gottes Chons geführt, des Sohns von Amun-Re und seiner Gemahlin Mut, schritt die Prinzessin auf ihren Vater zu. Als sie ihn erreicht hatte, verneigte sie sich vor ihm.
Ramses-Sethherchepeschef war in edelstes Leinen gekleidet. Er trug auf dem Kopf die Doppelkrone. Sein Schmuck glänzte in Res Strahlen. Er wirkte auf seine Untertanen wie der Gott Amun-Re höchstselbst, wohingegen seine Tochter in ihrem golddurchwirkten Kleid und der Geierhaube auf dem Kopf anmutig und wunderschön wie die Göttin Mut aussah.
Der Pharao ergriff die Hand der Prinzessin, und in Begleitung der hohen Priesterschaft begaben sich Vater und Tochter in das Innere des Heiligtums, wo der König
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