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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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wird das Auge Deiner Hoheit erfreuen, was für edles, feines Leinen die Damen dieses Harims zu weben verstehen. Es ist eines Königs würdig.«
    »Das hoffe ich für sie.« Sethi machte eine Pause und betrachtete seine gepflegten Hände. »Wie geht es eigentlich Prinzessin Bintanat?«
    Die Harimsvorsteherin schluckte. »Du meinst die Dienerin, Hoheit? Sie kommt gewissenhaft ihrer Arbeit nach, auch wenn sie das nicht von Anfang an getan hat. Doch die langen Jahre harten, entbehrungsvollen Lebens haben sie demütig werden lassen.«
    »Ich will sie sehen!«
    «Wie du befiehlst, Hoheit.« Die Frau verneigte sich und wartete auf ihre Entlassung. »Dann gehe und hole sie!«
    Verneigend zog sich die Vorsteherin zurück.
    Kurze Zeit später wurde dem Prinzen Bintanat gemeldet.
    Als die in Ungnade gefallene Prinzessin das Zimmer betrat, musste Sethi zweimal hinschauen, bevor er sie erkannte.
    Bintanats einst so strahlende Schönheit war einer unterwürfigen, gebeugten Gestalt gewichen. Das rabenschwarze, glänzende Haar war kurz geschnitten und hing zerzaust und glanzlos um ihre eingefallenen Wangen. Sie trug ein derbes, halblanges Kleid und an den Füßen einfache Sandalen aus Papyrusrinde.
    Sethi schluckte bestürzt.
    Als er Bintanat vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen hatte, war sie zweiundzwanzig Jahre alt gewesen. Heute erschien sie ihm doppelt so alt.
    »Komm näher, Bintanat, und sieh mich an!«, forderte er sie auf.
    Gehorsam kam die Prinzessin seinem Befehl nach, während ihre Augen ihn stumpf und teilnahmslos anblickten. Als sie ihn schließlich erkannte, kam Leben in sie.
    »
Du?
– Was willst du von mir?«, fauchte sie ihn an. Mit einem Mal war sie wieder die Bintanat, die Sethherchepeschef von früher kannte.
    »Ist das etwa die richtige Begrüßung einer verurteilten, niederen Dienerin für einen königlichen Prinzen und den Regenten der Beiden Länder?«
    Überrascht sah Bintanat ihn an. »Ich verstehe nicht ganz«, sagte sie verunsichert.
    »Ach, wusstest du es nicht?« Sethi schmunzelte belustigt. »Ich habe nach Ramses’ Tod die Regentschaft übernommen.«
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Nein, es hat mir niemand gesagt. Ich wusste auch nicht, dass du mich hier erwartest.« Ihr Erstaunen legte sich und wich einer unübersehbaren Gehässigkeit. »Na, Sethherchepeschef, hast du endlich diese Meritusir zur Frau bekommen oder liegt sie noch immer in den Armen von Amunhotep?« Bei der Erwähnung des Namens des Osiris-Hohepriesters wurde ihr Blick wehmütig.
    »Noch immer in ihn verliebt, liebe Nichte?« konterte Sethi schadenfroh, und ihm entging nicht, wie Bintanat die Zähne zusammenbiss. »Doch wenn es dich befriedigt, meine Liebe, auch ich habe nicht die Frau bekommen, die ich mir erträumt habe. Ramses verwehrte sie mir. Sie hingegen verschmähte mich und nahm Amunhotep zum Gemahl.«
    Auf Bintanats Gesicht zeigte sich ein hämisches Grinsen. »Also wurdest auch du in gewisser Weise von Ramses bestraft.«
    »So könnte man das sagen, aber nun ist er zu den Göttern gegangen, und niemand wacht mehr über seinen Einzigen Freund und dessen Frau.«
    »Wie soll ich das verstehen?« Bintanat sah ihren Onkel aus leicht zusammengekniffenen Augen fragend an. »Ist Amunhotep bei Hori in Ungnade gefallen?«
    »Nein, mein Herz, bei Hori sicher nicht, aber bei mir«, bekannte Sethi, der sich seiner Nichte nun offenbaren wollte.
    Was konnte er schon verlieren? Bintanat war wegen falscher Beschuldigungen und Meineid vom Pharao bestraft worden. Wer würde ihr glauben, wenn sie ausplaudern würde, was er ihr zu sagen hatte?
    »Doch nicht du bist der rechtmäßige Thronfolger, sondern Hori«, riss sie ihn aus seinen Überlegungen.
    »Das stimmt, doch ich bin der derzeitige Regent, und der rechtmäßige Regent ist nicht da. Sollte er nicht in Abydos zur Beisetzung seines Vaters erscheinen, werde ich die Mundöffnung vornehmen und mich somit für die Thronfolge legitimieren.«
    Bintanat öffnete vor Verwunderung den Mund. Sie benötigte einen kurzen Moment, bevor sie antwortete: »Du willst dir die beiden Kronen aufs Haupt setzen lassen?« Sie rang nach Luft. »Das ... das ist ungeheuerlich«, stieß sie mühevoll hervor.
    »Ach wirklich? Wäre es für dich auch ungeheuerlich, wenn du dadurch deine Freiheit wiedererlangen würdest?«
    »Diesen Traum habe ich schon lange ausgeträumt.«
    »Das glaube ich dir nicht. Spätestens als dich die Nachricht erreichte, dass Ramses getötet wurde, hast du ihn wieder zu träumen

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