Die Strafe des Seth
denke, wird mir warm ums Herz. Du musst unbedingt Kinder zeugen, Hori. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als Kinder. Du bist inzwischen siebzehn Jahre alt. Dennoch erfüllt kein fröhliches Kindergeschrei dein Haus.«
Der Regent lachte. »Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher, Amuni. Ich verrate dir jetzt ein kleines Geheimnis.« Verschwörerisch beugte er sich dem Prinzen zu. »Am Tag unseres Aufbruchs in den Krieg kam meine zukünftige Frau zu mir und erzählte, dass ihre letzten beiden Reinigungen ausgeblieben wären. Das hat zwar nicht sicher zu bedeuten, dass sie schwanger ist, doch ich habe seitdem jeden Tag gebetet, dass es so sei.«
Amuni stand vor Überraschung der Mund offen, während Hori vergnügt lächelte. »Warum hat sie es dir nicht schon früher gesagt?«
»Sie meinte, damit ich einen Grund hätte, wohlbehalten aus dem Krieg zurückzukehren. – Als ob ich das nicht so oder so getan hätte.« Er haute dem verdutzt dreinschauenden Amuni freundschaftlich auf die Schulter. »Was sagst du nun, mein Freund?«
»Es hat mir glatt die Sprache verschlagen«, antwortete Amuni. »Hat Ramses es gewusst?«
Hori schüttelte den Kopf und senkte betrübt den Blick. »Nein. Ich habe es bisher niemandem erzählt, weil ich keine Gewissheit habe. Hätte ich jedoch geahnt, dass mein Vater zu den Göttern befohlen wird, hätte ich es ihm gesagt.« Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Betreten blickte nun auch Amuni zu Boden. »Das tut mir leid zu hören.«
»Es lässt sich nicht mehr ändern. Der zu Osiris gewordene Horus wird es trotzdem erfahren. Eines Tages wird er neben den allwissenden Göttern sitzen und selbst einer von ihnen sein. Sein Ba wird die Gestalt eines Vogels annehmen und zu seiner Familie nach Per-Ramses geflogen kommen. Dort wird er sich in einem Baum niederlassen und sehen, wie glücklich wir alle sind.« Hori hob wieder den Blick und versuchte zu lächeln. »Er hat es geschafft, Amuni. Er wird schon bald ein Gerechtfertigter sein und zu seinem göttlichen Vater Re in die Barke steigen.«
»Ja, Majestät.« Es kam selten vor, dass Amuni den zukünftigen Pharao in aller Förmlichkeit anredete, vor allem, wenn sie alleine waren, aber nun hielt auch er es für angebracht. »Und du wirst ihm auf den Thron der Lebenden folgen, so wie er seinem Vater gefolgt ist. Eines Tages wirst auch du in der Sonnenbarke fahren, doch bis dahin mögen tausend mal tausend Sed-Feste deinen königlichen Ka erneuern.« Er neigte den Kopf.
»Ich habe dich selten so reden hören, Amuni, doch es beweist mir, dass aus dir ein erfahrener Beamter geworden ist, dem ich vertrauen kann. Deshalb erlaube ich dir vom heutigen Tage an, mich auch weiterhin bei meinem Namen zu nennen und dich nicht in den Staub werfen zu müssen wie alle anderen.«
»Danke, Majestät, für die Ehre, die du mir zuteilwerden lässt.«
»Höre jetzt damit auf«, lachte der Regent. »Ich weiß auch so, dass du dich vor dem Pharao zu benehmen weißt. Derzeit bin ich noch nicht gekrönt. Zudem befinden wir uns nicht im Thronsaal von Per-Ramses, sondern auf einer Barke mitten auf dem Nil. Du trägst wie ich einen durchgeschwitzten Schurz. Wir trinken das gleiche Bier und haben zusammen Seite an Seite gekämpft. Heute unterliege ich noch nicht den Zwängen, die mir nach meiner Krönung auferlegt sein werden. Lass uns diese Fahrt genießen und fröhlich sein, auch wenn der Grund unserer Reise nicht so erfreulich ist, doch jeder von uns wird einmal diesen Weg gehen müssen.« Er hob seinen Becher. »Auf den zu Osiris gewordenen Pharao. Möge der Richter der Unterwelt, der Große Gott Osiris, ihn gnädig in seinem Reich aufnehmen.« Er prostete Amuni zu und trank den Becher bis zur Neige. Dann stellte er ihn wieder vor sich auf die Planken und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
Die Sonnenscheibe hatte sich in der Zwischenzeit rot verfärbt und versank in Nuts Rachen. Die Schiffsführer riefen sich zu, dass es an der Zeit wäre, einen geeigneten Platz für ein Nachtlager zu suchen, denn es war Neumond und bei der herrschenden Strömung zu gefährlich, weiterzufahren.
Sie steuerten das Ufer an, wo Horis Leibwache das Gebiet nach möglichen Gefahren für ihren Herrn abzusuchen begann, bevor das Lager errichtet wurde.
Alles war ruhig.
Die Diener begaben sich an die Arbeit und begannen mit der Zubereitung des Abendmahls, während sich die Ruderknechte ein gemütliches Plätzchen am Ufer suchten, um zu entspannen, denn der Tag
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