Die Strafe des Seth
versuchte er, mit letzter Kraft den Kopf zu drehen, um zum sternenübersäten Himmel zu blicken, wo seine Vorfahren als silbern strahlende Punkte, als die Gefolgsleute des Osiris, weiterlebten.
Vater, dachte er sterbend, heute Nacht folge ich dir und Nebu.
Dann schloss Hori die Augen, um sie in dieser Welt nie wieder aufzutun.
* * *
Die Nachricht von Horis grausigem Tod erreichte Sethherchepeschef kurz vor Achetaton, der verwaisten Stadt von Osiris Echnaton. Sethi musste sich geradezu beherrschen, um nicht vor Freude laut zu jubeln, als ihm ein Bote die traurige Mitteilung überbrachte.
Der Thronfolger war tot, ohne dass Sethi einen Finger hatte rühren müssen.
Er war sofort nach Beendigung der Einbalsamierungsriten in Per-Ramses aufgebrochen und hatte außer in Heliopolis und Memphis nirgendwo eine längere Rast eingelegt. Um jeden Preis musste er vor Hori Abydos erreichen. Seine Eile war bei vielen Würdenträgern auf Unverständnis getroffen. Er hatte es einfach ignoriert. Trotzdem hatte er jeden Tag zu seinem Schutzgott Seth gebetet, dass der Regent es nicht rechtzeitig schaffen würde, in der heiligen Stadt des großen Totengottes einzutreffen.
Sethherchepeschef machte ein betrübtes Gesicht, wischte sich pflichtschuldig über die Augen und entließ in geheucheltem Kummer den Unglücksboten, um alleine mit sich und seiner Trauer zu sein, wie er ihm sagte.
Nachdem der Mann gegangen war, befahl er seinem Leibdiener, ihm einen Krug Wein zu holen, damit er den Schmerz um den Verlust seines geliebten Verwandten im Rausch ertränken könne.
Gehorsam kam der Mann dem Befehl seines Gebieters nach und zog sich anschließend leise zurück, um den Prinzen nicht weiter zu stören.
Wenig später erschien Sethis Haushofmeister und fragte, ob der Prinz gewillt wäre, Ramose zu empfangen.
Unwillig nickte Sethi. »Wenn er der Meinung ist, sein Anliegen sei so wichtig, dass er mich in meiner Trauer und meinem Schmerz um den Verlust des zukünftigen Pharaos stören müsse, so soll er eintreten.«
Verlegen verneigte sich der Hausverweser und bat den ehemaligen Hohepriester des Re in die Kajüte des Prinzen.
»Majestät«, hob Ramose salbungsvoll an und verneigte sich ehrerbietig, »nun steht deiner Thronbesteigung nichts mehr im Weg. Ich bin gekommen, um dir zu gratulieren. Hori ist seinem Vater gefolgt. Wenn nun du Ramses zu seinem Ewigen Haus begleitest, wird niemand daran zweifeln, dass du sein rechtmäßiger Nachfolger bist.«
Sethi nickte und konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. »Ja, Ramose. Nun wird mir auch Nesamun ohne zu zögern beide Kronen aufs Haupt setzen, und vielleicht bin ich dann auch gewillt, ihn weiterhin in seinem Amt zu belassen. Er stand immer treu zu Ramses. Warum also sollte er nicht auch mir treu zu Diensten sein?«
»Er wird vor Deiner Majestät im Staube liegen und sich glücklich schätzen, wenn er den Boden vor deinen Füßen küssen darf«, erwiderte Ramose bissig.
Sethi schmunzelte. »Ich glaube, nicht nur er. Alle werden mich als den Herrn der Beiden Länder akzeptieren und sich demütig vor mir im Staube wälzen.« Er musterte Ramose streng. »Das gilt auch für einen Hohepriester des Osiris und des Re. Oder hattest du gedacht, dass du mir gleichgestellt bist, wenn du diese Ämter inne hast?«
Verdattert schüttelte der alte Mann den Kopf. »Mitnichten, Majestät, mitnichten.«
»Gut für dich, denn vergesse nicht: Du hast mir zwar geholfen, mein Ziel zu erreichen, und ich halte dafür mein Versprechen. Nach meiner Krönung ernenne ich dich zum Hohepriester von Heliopolis und Abydos. Ich werde aber stets der Herr sein, während du immer mein Diener bleiben wirst!«
»Natürlich, Majestät. Etwas anderes hätte ich mir nie angemaßt.« Ergeben senkte Ramose den Blick.
»Dann bin ich beruhigt, und nun lass mich allein. Immerhin ist der Regent zu den Göttern gegangen. Ich muss zumindest den Schein wahren, darüber todunglücklich zu sein.«
* * *
Eine Woche später erreichte der königliche Konvoi die heilige Stadt des Großen Gottes Osiris. Widerwillig trat Amunhotep Sethherchepeschef entgegen, um ihn zu begrüßen, doch der Prinz brachte die Mumie des Pharaos, und Amunhotep war es Ramses schuldig, persönlich den Trauerzug zu begrüßen.
Hoheitsvoll nahm Sethi Amunhoteps Gruß entgegen und begab sich sofort in den königlichen Palast, ohne ein weiteres Wort mit dem Ersten Propheten zu wechseln. Flüchtig glitt sein Blick dabei über die
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