Die Strafe des Seth
und die Malereien in ein warmes, mildes Licht tauchten.
Der Türsturz des Eingangs wurde von einer Sonnenscheibe beherrscht, die von den Göttinnen Isis und Nephthys flankiert wurde. Im oberen absteigenden Korridor folgten in leuchtendem Blau auf weißem Untergrund die Texte aus dem
Buch der Pforten
, während sich im nächsten Gang der König an der Seite des sonnengestaltigen Gottes Harachte-Atum-Chepre und des Gottes der Unterwelt Ptah-Sokar-Osiris präsentierte. Die Wände waren mit den heiligen Texten aus dem
Buch der Höhlen
geschmückt, während die Bilder die göttliche Wiedergeburt des Pharaos als Osiris zeigten.
Nach dem dritten Gang schritt die kleine Prozession durch die Brunnenkammer, deren Decke durch vier Pfeiler getragen wurde. Auch hier hatten Ramses’ Steinmetze die heiligen Zeichen kunstfertig aus dem Felsen geschlagen, und die Maler hatten sie in leuchtenden Farben bemalt. Es folgte der letzte absteigende Korridor, der zum Säulensaal führte und von dort zur Vor- und Hauptkammer des Grabes. Wie sein Vater schon, so hatte auch Ramses diesen Bereich mit Szenen und Texten aus den Unterweltsbüchern dekorieren lassen, wohingegen die Decke mit Darstellungen aus den Himmelsbüchern geschmückt worden war.
Doch am schönsten war seine große Sarkophagkammer.
Sethis Blick wanderte die Wände entlang, die mit Auszügen aus dem
Buch der Erde
verziert waren. Als er zur Decke sah, stockte ihm vor Bewunderung der Atem. Die Göttin Nut breitete ihre Flügel aus, während verschiedene Sternenkonstellationen sie umgaben. Sethi erinnerte sich, dass er diese Darstellung bereits im Grab seines Bruders hatte bewundern dürfen.
»Wunderschön!«, murmelte er überwältigt.
Sein Blick glitt hinüber zur hintersten Kammer, wo auf der dem Eingang zugewandten Seite Ramses in der Halle der Wahrheit vor Osiris zu sehen war. Anubis hatte ihn an die Hand genommen und vor den obersten Richter der Unterwelt geführt. Es ging darum, dass sein Herz gegen die Feder der Göttin Maat gewogen werden sollte. Gleich neben der Waage hockte Ammit, die Fresserin, die all jene Herzen verschlang, die schwerer als die göttliche Feder waren.
Sethi erschauerte leicht und richtete seine Aufmerksamkeit den Trägern zu, die im Begriff waren, den goldenen Sarg des Königs in den vergoldeten inneren Holzsarg zu legen, der wiederum in der Sarkophagwanne im Boden der Kammer eingelassen stand. Dann schlossen sie ihn und legten den Deckel des äußeren Holzsarges auf, um zum Schluss das Ganze mit einer Platte aus schwarzem Granit zu bekrönen.
Unter Verneigungen zogen sie sich still zurück und überließen die königliche Familie und die beiden obersten Propheten ihrem Abschiedsschmerz von ihrem geliebten Herrscher.
Isis stand zwischen Nubchesbed und Sethi und schluchzte leise, während Nubchesbed keinerlei Gefühle zeigte. Die alte Königin blickte mit erstarrter Miene auf den schwarzen Stein, unter dem ihr Sohn zur letzten Ruhe gebettet worden war und auf seine Reise zu den Göttern wartete. Sethi zeigte ebenfalls keinerlei Anzeichen von Trauer, und selbst Amunhoteps Tränen waren versiegt. Einzig Meritusir konnte ihren Schmerz nicht verbergen.
Durch einen Schleier aus Tränen blickte sie auf den Sarkophag, während ihre Lippen Worte murmelten, die die anderen nicht hören konnten. Sie bat den Großen Gott Osiris, den toten König gnädig in seinem Reich aufzunehmen, und beschwor den göttlichen Barkenführer Mahaef, nicht zu lange zu warten, bis er Ramses von der Erde abholen würde, damit er zu Re in dessen Barke steigen konnte.
Als schließlich einer nach dem anderen vortrat, um seine Blumen auf Ramses’ Sarkophag zu legen, fiel sie auf die Knie und berührte vor dem steinernen Sarg mit der Stirn den Boden der Halle.
»Majestät«, wisperte sie, »ich habe dereinst deine Göttlichkeit verleugnet, weil ich sie nicht erkennen konnte. Heute nun weiß ich, dass du der lebende Gott gewesen bist. Verzeihe mir meinen Unglauben und steige hinauf in den Himmel. Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, damit der Wunsch des Re erfüllt werden kann.«
Sie küsste den Boden und erhob sich wieder, um ihre Blumen auf den Deckel zu legen. Dann trat sie zurück und verließ mit den anderen die letzte Ruhestätte von Ramses VII.
FÜNFZEHN
Sethis großer Tag war gekommen, auf den er jahrelang hingearbeitet hatte. Heute sollten ihm endlich die Beiden Kronen aufs Haupt gesetzt werden. Nubchesbed hatte sich zwar
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