Die Strafe des Seth
Doppelkrone geltend machen, allen voran Chaemwaset, da dieser mit deiner Schwester verheiratet ist. Zudem steht mir nicht im Geringsten der Sinn nach dem Doppelthron.« Resigniert ließ Sethi den Kopf hängen und starrte auf seine Fußspitzen. »Vielleicht war der Anschlag auch gar nicht gegen dich gerichtet, sondern zielte auf die oberste Amun-Priesterschaft ab ...« Da Ramses die Augenbrauen fragend in die Höhe gezogen hatte, fügte er rasch hinzu: »Ich meine, vielleicht war Senenmut wirklich nur auf ein höheres Amt im Tempel aus.«
»Und du glaubst, ich hätte es ihm gegeben, wenn einer der anderen Propheten zu Tode gekommen wäre?«
Ratlos zuckte Sethi mit den Schultern. »Hättest du?«
»Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zudem wusste Senenmut, dass
ich
am gestrigen Tag die Türen des Schreins öffnen würde und nicht Nesamun oder einer der anderen Propheten. Es war ihm bewusst, dass die Kobra mich angreifen würde.«
»Da gebe ich dir recht«, meinte Sethherchepeschef ernüchtert. »Doch bei dem ersten Anschlag, und ich bin mir sicher, dass Senenmut auch dafür verantwortlich gewesen ist, hätte es nicht nur dich, sondern die gesamte hohe Priesterschaft des Amun-Re dahingerafft. War es nicht ein unglaublicher Zufall, dass er genau in der Nacht zuvor erkrankt ist, so wie er es später erzählte?«
»Allerdings«, bestätigte Ramses und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. »Und nun willst du dich von deiner Gemahlin trennen?«
Der Prinz nickte. »Ich kann unmöglich mit der Tochter eines Mörders unter einem Dach zusammenleben.«
»Das verstehe ich, doch glaube ich, dass Senehat von all dem nichts gewusst hat. Sie ist nicht der Typ von Frau, der berechnend und kaltschnäuzig ist. Zudem ist mir zu Ohren gekommen, dass sie erneut schwanger ist. Du solltest es dir vielleicht noch einmal überlegen, Sethi, ob du sie verstößt oder nicht.«
Sethherchepeschef verschlug es fast die Sprache. Überrascht sah er zum Pharao. »Du rätst mir, bei ihr zu bleiben?«
»Das liegt ganz allein in deinem Ermessen. Du musst sie nicht verlassen, nur um mir zu zeigen, dass du mit allem nichts zu tun hast. Wenn du glaubst, dass sie unschuldig ist, wovon ich überzeugt bin, dann bleibe mit ihr zusammen.«
»Die Leute werden mit dem Finger auf sie und somit auch auf mich zeigen, Ramses!«
»Nicht, wenn ich sie als deine Gemahlin akzeptiere und ihr den Frevel ihres Vaters verzeihe.«
»Dann sicher nicht.« Der Prinz setzte eine grübelnde Miene auf. »Ich werde darüber nachdenken, Majestät.«
»Tue das, Sethi, und vergiss nicht: Senehat ist die Mutter deiner Tochter, und sie trägt erneut deinen Samen in ihrem Leib.«
»Wie wirst du mit Senenmuts Leiche verfahren?«, erkundigte sich der Prinz.
»So, wie es sich für das, was er getan hat, gehört. Senenmuts Körper wird in die westliche Wüste gebracht werden, um ihn dort den wilden Tieren zum Fraß vorzuwerfen. Weiterhin wird sein Name aus allen Dokumenten und Inschriften getilgt, sodass die Götter ihn nicht finden können. Die Tat, die er begehen wollte, ist abscheulich. Wäre sein Plan geglückt, hätte jedermann geglaubt, dass sich die Götter von mir abgewandt haben und mich bestrafen wollten.«
* * *
Übel gelaunt stürmte Sethherchepeschef in seine Gästegemächer und knallte die Tür hinter sich zu, sodass sein Leibdiener, der ihm folgen wollte, wie angewurzelt vor dem Gemach stehen blieb und sich nicht traute, einzutreten.
Der Spross von Osiris Ramses III. kochte vor Wut. Soeben hatte ihm sein Neffe zu verstehen gegeben, dass er es begrüßen würde, wenn er seine Gemahlin nicht verstieß.
Zornig warf er sich auf einen kostbaren Stuhl aus Zedernholz, der unter der Wucht seines Gewichts bedrohlich ächzte.
Sethi hatte mit Senenmut einen ihm treu ergebenen Komplizen verloren, auch wenn sich der Priester in der vergangenen Zeit ihm gegenüber bedeutend ungezwungener, manchmal sogar schon recht anmaßend verhalten hatte. Trotzdem hatte er gehofft, wenigstens einen Vorteil aus dem missglückten Attentat und Senenmuts Ableben ziehen zu können. Es böte sich ihm endlich die legale Möglichkeit, diese dumme Gans Senehat ein für alle Mal loszuwerden, doch Ramses gedachte, ihr zu verzeihen. Und wenn der Pharao, der lebende Gott, ihr verzeihen konnte, durfte es dann ein Sterblicher nicht?
Wütend griff Sethi nach einer reich verzierten silbernen Schale, die mit Obst gefüllt neben ihm auf dem Tisch stand, und schleuderte sie an die Wand.
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