Die Strafe des Seth
Heliopolis sollte er sein altes Amt erhalten, doch auf das des Hohepriesters von Abydos würde er noch etwas warten müssen.
Ganz bewusst hatte Sethi auch die Mitglieder der königlichen Familie in ihren Ämtern belassen, um sich deren Loyalität zu sichern. Einzig Nehi hatte er degradieren müssen. Der alte Wesir konnte ihm gefährlich werden. Gleiches befürchtete er von Nubchesbed, die er zu gegebener Zeit zusammen mit Ramses’ Gemahlinnen, seinen Nichten und deren unmündigen Kindern auf die Harims des Landes verteilen würde. Sollten sie dort alt und grau werden. Hauptsache, sie konnten ihm nicht mehr gefährlich sein.
* * *
»Ich hätte nie geglaubt, dass Sethi dich in deinem Amt belässt«, meinte Meritusir, als sie abends zusammen mit Amunhotep im Bett lag. »Wenn ich vergessen könnte, dass er Senbi zum Wesir ernannt hat, würde ich beinahe sagen, dass ich ihm unrecht mit all dem getan habe, was ich von ihm gedacht habe. Doch er hat einen wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes verurteilten Mann in das höchste Amt des Landes berufen. Das sagt wohl einiges aus.«
»Das stimmt, Meritusir, doch mache dir keine Gedanken deswegen. Dieser Senbi wird es nicht wagen, die Hand gegen dich zu erheben. Dafür wird wiederum Sethi sorgen. Niemals wird er es zulassen, dass dir jemand etwas Böses antut.«
»Vielleicht weiß er überhaupt nicht, was er für eine Schlange an seiner Brust nähren wird?«, gab sie zu bedenken und strich Amunhotep mit dem Zeigefinger über die haarlose Brust. »Senbi hat sich in dieser langen Zeit ziemlich verändert. Selbst ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt, doch seine Stimme werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen können.«
»Möglich, dass Ramses-Sethherchepeschef nicht weiß, wer Senbi wirklich ist, doch ehrlich gestanden glaube ich das nicht. Ich frage mich nur, wie die beiden zusammengefunden haben und warum er ihm den höchsten Posten im Land anvertraut.« Amunhotep machte eine Pause und sah nachdenklich an die Decke. »Und vergiss bitte nicht, dass er ganz genau weiß, wer seine Große Königsgemahlin ist und was sie verbrochen hat.«
Meritusir nickte und ließ sich von Amunhotep in den Arm nehmen. »Senbi – dieser böse Dämon der Unterwelt«, murmelte sie und schmiegte sich an ihren Gemahl. »Wenn es nicht gegen die Maat und meine persönliche Einstellung verstoßen würde, würde ich ihn eigenhändig erwürgen für das, was er mir angetan hat. Zumindest wünsche ich ihm die Pest an den Hals.«
Schmunzelnd strich Amunhotep ihr über den Rücken. »Belege ihn doch mit einem bösen Zauber, meine kleine Magierin«, schlug er vor. »Das dürfte dir doch nicht schwer fallen, nachdem du sogar das Wasser des Nil zum Brennen gebracht hast.«
»Du weißt genau, dass das nichts mit Zauberei zu tun hatte«, erwiderte sie gereizt. »Selbst der dümmste Bauer hätte das fertiggebracht. Und außerdem habe nicht einmal ich die Krüge in den Fluss entleert, sondern die Soldaten waren es.«
»Ja, liebe Schwester, aber sie haben überall herumerzählt, dass du vorher die Hände über den Krügen ausgebreitet und Beschwörungsformeln gemurmelt hast, in denen du Seth gebeten hättest, das
Schwarze Blut des Gottes Geb
zum Brennen zu bringen und hinterher die Flammen zu löschen.«
»Das ist Unsinn, Amunhotep!« Meritusir hatte sich aus Amunhoteps Armen gelöst und stützte den Kopf auf ihren rechten Arm. »Vielleicht hat uns wirklich der Große Gott Seth geholfen, das alles verzehrende Feuer zu löschen. Es stimmt auch, dass er mir den Weg gewiesen hat, doch es ist Öl, ganz gewöhnliches Öl. Ich gab ihm den Namen das
Schwarze Blut des Gottes Geb
, da es sich im Innern der Erde befindet. Die Leute in der Wüste haben es
Wasser des Seth
genannt, weil sie es fürchten, doch in meiner Sprache heißt es schlicht und einfach
Erdöl
. Das hat nichts mit Zauberei zu tun.«
»Ich weiß, Meritusir, du hast es mir gesagt, und ich glaube dir, weil mir bekannt ist, wer du bist. Alle anderen wissen das nicht und würden es deshalb nie verstehen.« Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran. »Trotzdem bist du ab heute die Oberste Magierin Seiner Majestät.«
Meritusir musste plötzlich lachen. »Und auch noch Vorsteher über die königlichen Bauarbeiten und Zweite Prophetin des Großen Gottes Osiris. Und das alles als Frau! Wenn man in dreitausend Jahren irgendeinen Hinweis darauf finden sollte, werden die Gelehrten ganz schön dumm aus der Wäsche
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