Die Strafe des Seth
wenig später.
Links und rechts ragten schroff und steil die Felswände empor. Linker Hand schlängelte sich ein schmaler Pfad das Bergmassiv hinauf.
Fragend drehte sich Sethi seinem Wesir zu, der hinter ihm auf seinem eigenen Wagen fuhr. »Warum halten wir hier?«
»Majestät muss nun den Weg zu Fuß zurücklegen, wenn er den auserwählten Platz sehen möchte, wo sein Haus für die Ewigkeit entstehen soll«, erwiderte Senbi unterwürfig und sprang von der Plattform seines Gefährts, um an die Seite des Pharaos zu eilen.
Ungläubig sah Sethherchepeschef von oben auf ihn herab. »Warum wird es nicht im Talkessel angelegt?« Seine Stirn umwölkte sich bedrohlich. Der königliche Uräus an seinem Nemes schien Senbi mit flammendem Blick zu durchbohren, doch der Wesir blieb ruhig.
»Der Erste Prophet, der Oberste Schreiber an der Stätte der Wahrheit und ich haben die Pläne genau studiert, Majestät, und wir haben es für gut befunden, den Standort sehr weit oben in den Bergen zu wählen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Weiter oben bleibst du vor den gelegentlichen Zornesausbrüchen des Seth verschont, der schon so manches Grab mit seinen Wassermassen überflutet hat.«
Der Pharao lächelte. »Aber mich würde er davor verschonen, Senbi. Oder hast du vergessen, dass dieser gefürchtete Gott meine Schutzgottheit ist?«
Verstört schüttelte Senbi den Kopf. »Nein, Majestät. Der Oberste Schreiber erzählte mir, dass selbst das Westliche Haus von Osiris Ramses II. von den Wassermassen nicht unberührt geblieben ist, und das, obwohl dieser Pharao Seth stets verehrte und seine Stadt zur nördlichen Königsstadt gemacht hat.« Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen und wagte nicht, den Blick zu Ramses-Sethherchepeschef zu heben.
Sethi beließ es dabei. »Also gut, wenn es eben sein muss, dann soll dort oben mein Westliches Haus errichtet werden.« Er gab seinem Wagenlenker das Zeichen zum Wenden, um wieder dem Ausgang des Tals zuzustreben.
Verdutzt sprang Senbi zur Seite, um nicht umgefahren zu werden. »Aber, Majestät«, rief er dem davonfahrenden Gefährt des Königs beinahe flehend hinterher, »willst du dir den Platz denn nicht ansehen, den wir für dich ausgewählt haben?«
Ramses-Sethherchepeschef schüttelte nur den Kopf, ohne sich dabei umzusehen.
Verdattert bestieg Senbi wieder seinen Wagen.
Nachdem sie das geheime Tal hinter sich gelassen hatten, wandte sich der König ihm wieder zu. »Morgen werde ich den Grundstein legen. Anschließend können die Handwerker mit ihrer Arbeit beginnen. Richte das Nesamun aus!«
Senbi wollte zu einer Antwort ansetzen, doch der Wagenlenker des Pharaos ließ die Zügel auf die Rücken der Pferde klatschen und schnalzte mit der Zunge. Geschwind fielen die Tiere in Galopp. Der Pharao verschwand, von seiner Leibwache gefolgt, in einer Wolke aus Staub und Sand.
Sethi begab sich jedoch nicht in seinen Palast zurück, sondern ließ sich zu den Häusern der Millionen Jahre seiner Vorfahren bringen, wo er seinem Vater, Osiris Ramses III., opfern wollte.
Schon aus der Ferne konnte er den Komplex sehen, der sich wie eine schier uneinnehmbare Festung im äußeren Süden über die Landschaft erhob. Der Eindruck eines Festungsbaus wurde durch die doppelte Ziegelmauer und die beiden im Osten und Westen befindlichen Festungstürme noch verstärkt, die gemäß syrischem Vorbild errichtet worden waren. Der Bau war beeindruckend und wurde nur von einem Millionenjahrhaus in den Schatten gestellt, dem von Osiris Amunhotep III.
Vor dem eigentlichen Totentempel stieg Ramses-Sethherchepeschef von seinem Wagen und begab sich in das Innere des Heiligtums. Er überquerte die beiden Vorhöfe und erfreute sich an den wunderschönen Reliefs, die seinen Vater im Kampf gegen die Feinde Kemis und in Begleitung der Götter zeigten.
Als er den Säulensaal betreten wollte, fiel sein Blick auf die Bilder, die den Zugang zierten. Er blieb stehen, um sie sich genauer zu betrachten, doch missmutig wandte er sich kurze Zeit später dem Obersten Ka-Priester des Heiligtums zu.
»Was ich bisher erblickte, erfreute mein göttliches Auge. Soeben wurde es schwer beleidigt!«
Der Angesprochene erstarrte förmlich vor Entsetzen und begann, am ganzen Körper zu zittern. »Was ist es, Majestät?«, wagte er zu fragen.
»Wieso sehe ich hier Prinzen, die, bevor sie zu den Göttern befohlen wurden, die Doppelkrone auf dem Haupte trugen und somit Könige waren?«, donnerte Ramses-Sethherchepeschef erbost.
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