Die Strafe des Seth
mir verlangt, ich soll Amunhotep zu deinem Diener machen, nun bist du darüber entsetzt, was ich zu tun gedenke? Warst du es nicht, die den Hohepriester beschuldigt hat, er hätte dir Gewalt antun wollen, meine Liebe, obwohl das nicht den Tatsachen entsprach?« Er grinste breit. »Du bist kein bisschen besser als ich oder Senbi. Ich allerdings bin derjenige, der noch nicht von einem Gericht verurteilt wurde.«
Bintanat schenkte ihm einen beleidigten Blick. »Stimmt, Sethi, noch nicht, doch das höchste und letzte Gericht steht sowohl dir als auch Senbi und mir noch bevor. Ich glaube kaum, dass es einer von uns unbeschadet überstehen wird.«
Ramses-Sethherchepeschef zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Das ist mir schon seit Langem klar, obwohl ich hoffe, mich mit Hilfe der Sprüche und Beschwörungsformeln durchzumogeln.«
Die Königin rekelte sich auf ihrem Bett und sah ihren Gemahl mit einem Mal verlangend an. »Wahrscheinlich hast du recht. Verzeih, Majestät. Meine Stimmung ist heute nicht die beste. Es ist so drückend heiß, und ich fühle ich mich so einsam. Ich sehne mich nach etwas, das ich nicht habe.«
»Was könnte das wohl sein?« Sethi lächelte spöttisch. »Du bist meine Gemahlin und kannst alles von mir haben, was du dir wünschst. Du musst es nur sagen. Bisher hatte ich immer den Eindruck, dass es dir eher lästig ist, als dass es dir gefällt, wenn wir zusammen das Lager teilen.«
»Heute nicht.« Bintanats linke Hand glitt unter seinen Schurz, während die rechte nach seinem Körper langte, um ihn zu sich aufs Bett zu ziehen. »Bitte, mein Gemahl, zeige mir hier und jetzt, wie sehr du mich begehrst.«
Das ließ sich Ramses-Sethherchepeschef nicht zweimal sagen. Seine Lippen fanden die ihren, und verlangend glitt er über Bintanat, um sie zu lieben.
* * *
Ende der Aussaat erreichte ein königlicher Bote die heilige Stadt des Großen Gottes Osiris mit der Nachricht, dass der König in ein paar Tagen Abydos erreichen würde. Amunhotep glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als er die Schriftrolle las, die von Ramses-Sethherchepeschef persönlich unterzeichnet worden war.
Was hatte den Pharao dazu veranlasst, auf seiner Reise durch das von den Göttern geliebte Land so schnell gen Süden zu fahren? Er hatte mit ihm erst Mitte der Erntezeit gerechnet. Nun wollte der Pharao schon in fünf Tagen den Fuß auf den heiligen Boden von Abydos setzen.
Beunruhigt eilte er zu Meritusir, um ihr davon zu berichten.
Betrübt sah seine Gemahlin ihn an. »Es ist soweit, Amunhotep. Pharao kommt, um mich zu holen. Er hat gewartet, bis wir das Westliche Haus seines Neffen verschlossen haben. Nun will er mich zu seiner Gemahlin machen.«
»Aber Ramses’ Tempel der Millionen Jahre ist noch nicht fertig. Das Dach ist noch nicht geschlossen!« Amunhotep klang gereizt, und sein Blick ruhte unglücklich auf seiner Frau.
»Das war nicht mein Auftrag«, murmelte sie. »Ich sollte dem Pharao den Weg zu seinem göttlichen Vater Re ebnen, und das habe ich getan. Das Dach könnt ihr auch ohne mich verschließen.«
»Ich werde dich ihm nicht geben!«, begehrte Amunhotep auf. »Du gehörst zu mir und Usirhotep! Du bist meine Gemahlin und seine Mutter. Daran kann auch Ramses-Sethherchepeschef nicht rütteln.«
Meritusir lächelte gequält. »Das wird ihn nicht davon abhalten, mich endlich zu besitzen.« Sie trat auf Amunhotep zu und schmiegte sich an seine Brust.
Liebevoll strich er ihr über den Kopf. »Und wenn ich ihn eigenhändig umbringen muss – ich gebe dich nicht her!«
»Psst, Amunhotep«, flüsterte Meritusir. »So etwas darfst du nicht einmal denken. Es ist gegen die Maat, einen Menschen zu töten, selbst wenn es ein böser Mensch ist. Niemand darf einem anderen das Leben nehmen, wenn er nicht von einem Gericht zum Tode verurteilt worden ist.«
»Das ist mir bekannt. Doch welches Gericht würde den Herrn der Beiden Länder verurteilen?«
»Das Gericht der Götter.« Meritusir hob den Kopf und sah Amunhotep aus ihren grünen Augen zuversichtlich an. »Glaube mir, die Götter werden dem nicht tatenlos zusehen. Sie werden ihn bestrafen, wenn er tut, was ich befürchte.«
»Ich glaube dir, Meritusir«, antwortete Amunhotep, »denn du wurdest von ihnen gesandt.« Er nahm ihren Kopf in die Hände und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Dann begab er sich wieder zurück in den Arbeitsbereich des Tempels, während Meritusir sich mit eigenen Augen über die Nahrungsmittelbestände in den tempeleigenen
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