Die Strafe des Seth
an seinem Widersacher rächen?
»Könnte es möglich sein, dass dich deine Erinnerung trügt?«, unterbrach Senbi Nachts Überlegungen.
Verstört blickte der Zweite Prophet ihn an, fing sich schnell und schmunzelte. Warum sollte er nicht dem Wesir einen Gefallen tun?
»Nun, Tjati, wenn ich es mir genau überlege, könntest du recht haben«, lenkte er grinsend ein. »Ich entsinne mich, dass es Klagen vonseiten der Möbeltischler gab, die sich über die Güte des gelieferten Holzes beschwert haben. Wenn ich mich nicht täusche, stammte es aus Ibiranus Lieferung.«
Senbi erwiderte das Grinsen und nickte hoheitsvoll. »Dann stimmen also meine Informationen. Es wäre gut, wenn mir darüber eine schriftliche Beschwerde vorliegen würde.«
Verstehend nickte der Zweite Prophet. »Bevor du morgen abreisen wirst, wird dir ein Tempelschreiber diese übergeben.« Er neigte den kahlen Kopf.
Senbi bedankte sich zufrieden und begab sich zu Ramose, um dem Ersten Propheten eine Nachricht von Ramses-Sethherchepeschef zu überbringen. Anschließend zog er sich in den Gästebereich des Palastes zurück, um am darauffolgenden Tag seine Reise Richtung Abydos fortzusetzen.
NEUNZEHN
Auf seiner Reise durch das von den Göttern geliebte Land traf Ramses-Sethherchepeschef in Heliopolis ein, wo er sich mit dem Hohepriester des Re zu einem Gespräch unter vier Augen traf.
»Wie gefällt es dir, wieder in deinem ehrenvollen Amt eingesetzt zu sein?«, fragte er Ramose.
»Danke, Majestät, sehr gut. Ich kann mich allerdings entsinnen, dass du mir auch das Amt des Hohepriesters von Abydos zugesichert hattest, wenn du den Thron der Beiden Länder bestiegen hast.«
Ramses-Sethherchepeschefs Stirn umwölkte sich. »Höre ich da Unzufriedenheit in deiner Stimme?«
Überrascht zog Ramose die rechte Augenbraue in die Höhe. »Ein wenig schon. Immerhin gabst du mir dein Wort, aber noch immer ist Amunhotep der Erste Prophet des Gottes.«
»Und das wird er auch so lange bleiben, wie es mir gefällt«, zischte Ramses-Sethherchepeschef gereizt. »Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich ihn seines Amtes entheben. Bis dahin aber wirst du dich gedulden und es nie wieder wagen, deinen Unmut mir oder irgendjemanden sonst gegenüber kundzutun!«
Widerspruchslos neigte der alte Hohepriester den kahlen Kopf. »Ich gehorche, Majestät.«
»Eigentlich wollte ich etwas anderes von dir«, fuhr Ramses-Sethherchepeschef fort und griff nach einem gebratenen Stück Geflügel, um genussvoll hineinzubeißen. »Ich hatte dereinst ein Gespräch mit dem zu den Göttern gegangenen Vierten Propheten des Amun-Re«, erzählte er kauend und schluckte den Bissen hinunter. »Ich wollte von Senenmut wissen, warum sich mein Neffe sein Westliches Haus in der heiligen Stadt des Osiris anlegen lässt. Senenmut war jedoch nicht bereit, auf meine Frage zu antworten. Er meinte, dass es Dinge gäbe, die nur der obersten Priesterschaft und dem Pharao zugänglich seien. Nun bin ich Pharao. Deshalb beantworte mir meine Frage: Warum hat sich Ramses nicht im Königstal bestatten lassen?« Er langte nach seinem Wein und trank, während er den Ersten Propheten über den Rand des Kelches aufmerksam musterte.
»Es stimmt, was Senenmut dir gesagt hat, Majestät«, hob Ramose an. »Du wolltest damals Dinge wissen, die nicht für deine Ohren bestimmt waren. Nun bist du der Herr der Beiden Länder, und ich werde dir antworten.« Er beugte sich ein Stück dem König zu und sprach in gedämpftem Ton weiter, obwohl sich beide allein in einem Gemach des Königspalastes befanden, wo niemand sie belauschen konnte. »Auch ich bin nicht genau über alles unterrichtet, Majestät, denke aber, dass ich weiß, was sich zugetragen hat.« Er machte eine Pause und sah den Pharao geheimnisvoll an.
»Was ist los, Ramose«, knurrte Ramses-Sethherchepeschef gereizt, »willst du mich hinhalten?«
»Mitnichten, Majestät.« Ramose räusperte sich. »Das Westliche Haus deines göttlichen Bruders, Osiris Ramses VI., wurde ausgeraubt, seine Mumie geschändet. Dein Neffe, Osiris Ramses VII., wollte nicht, dass ihm das Gleiche widerfährt. Er begab sich zusammen mit Nefertem, Amunhotep und mir auf das Plateau von Giseh. In der Halle des Thot wollte er nach geheimen Zauberformeln suchen, die seinen Leib und sein Haus für die Ewigkeit vor derlei Frevel schützen sollten. Als wir zusammen in das Labyrinth des Re stiegen, nahm er zu meiner und der Überraschung von Nefertem die leibeigene
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