Die Strafe - The Memory Collector
Nebel zwischen den Bäumen fliehen. Sie schüttelte sich das Haar aus den Augen und musterte die zwei Gestalten, die sie gepackt hatten, genauer.
Sie wirkten nicht so, als wären sie wegen ihrer hervorragenden Kenntnisse in theoretischer Physik eingestellt worden.
Einer hatte einen kahlgeschorenen Schädel und die strotzende Statur einer Krakauerwurst. Wie die Goldkette unter seinem Kinn hielt, war ihr unerfindlich, weil er über den hängenden Schultern keinerlei Hals besaß. Seine Augen hatten die Temperatur von Kohlen auf einem Grill. Der Zweite war schmächtig wie eine Bohnenstange, hatte aber einen Griff wie eine Gartenschere. Seine Glupschaugen huschten nervös hin und her. Vielleicht eine Schilddrüsenüberfunktion. Oder methamphetaminabhängig. Er war angezogen,
als wollte er Snoop Dogg beeindrucken. Ein blaues Bandana baumelte aus der Hintertasche seiner Hängejeans.
Das waren die Männer, die in ihr Haus eingebrochen waren.
Calder setzte ein gehässiges Grinsen auf und verpasste Jo eine heftige Ohrfeige. Es brannte wie die Hölle. Mit einem feuchten Geräusch wichen die Lippen des Krakauertyps zurück, und sein Zahnfleisch schimmerte im Scheinwerferlicht.
Shepard ächzte. »Riva, was soll das?«
Sie wirbelte herum. »Halt’s Maul.«
Er schwieg. Für Jo war nicht zu erkennen, ob er sprachlos war oder nur so tat und fieberhaft nach einem Ausweg suchte.
»Wo ist Ian?«, fragte Calder.
»Ich weiß es nicht.«
»Spar dir deine Herablassung. Wo ist er?«
»Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, würde ich ihn holen und ins Krankenhaus verfrachten.«
Calders Stirn leuchtete rot wie eine Ampel. Die blasenumrandete Verbrennung hatte die vorspringende Form eines Schiffsbugs. Ihr linkes Auge zuckte. »Wo ist die letzte Probe Slick?«
»Die hat Ian.«
»Nein. Ich habe ihn im Krankenhaus gefragt.«
Jo schaltete sich ein. »In der Notaufnahme war Ian verwirrt.«
»Er würde mich nicht anlügen.«
»Er konnte sich nicht erinnern. Vielleicht hat er das Zeug
mitgebracht und es schlicht vergessen.« Jos Gesicht schmerzte, wo Calder sie getroffen hatte. Sie beschloss, etwas zu wagen. »Fahren wir doch zum San Francisco General und schauen nach.«
»Blödsinn. Ich hab sein Gepäck durchsucht.«
»Ians Sachen waren nicht alle im Zimmer, als Sie da waren.«
»Klappe.«
Calder rieb über den Ring an ihrer linken Hand. Der von zwei Delfinen umrankte Saphir. Der Ring, der Misty gehörte. Mit wütendem Blick wandte sie sich an Shepard. »Du holst jetzt das Zeug und gibst es mir.« Sie winkte den zwei Männern. »Setzt sie in den Tahoe.«
Der Krakauertyp packte Shepard am Arm. Zusammen mit der Bohnenstange schleifte er ihn und Jo zu dem Geländewagen, stieß sie auf den Rücksitz und schlug die Türen zu.
Shepard wirkte benommen und wütend. »Ich kann es nicht glauben.«
Die Männer traten vor den Wagen und berieten sich, angeleuchtet wie Clowns, mit Calder.
Shepard deutete auf den Krakauertypen. »Dem bin ich schon mal begegnet. Hat sich für den Sicherheitsdienst bei Chira-Sayf beworben. Ehemaliger Polizist, glaube ich. Es gab Probleme bei der Leumundsprüfung.«
»Anscheinend wollte Riva was für seinen Lebenslauf tun«, antwortete Jo. »Haben Sie nicht gesagt, sie kennt die Kanans?«
»Ja, schon seit fünfzehn Jahren. Sie hat zusammen mit Misty studiert.« Er schüttelte den Kopf. »Unfassbar.«
»Sie ist in Ian verknallt, oder?«
Er warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Ja.«
»Ruth Fischer hat mir verraten, dass sich Riva zu sehr für Ihren Bruder interessiert. Und Sie haben mir vorhin erzählt, dass Ian ihr nie folgen würde - als würde er ihr möglichst aus dem Weg gehen.«
Auch Calders ständiges Herumfummeln an dem Ring hatte bei Jo die Alarmsirenen schrillen lassen.
»Riva hat sich als Misty ausgegeben, um an Insiderinformationen ranzukommen - von der Polizei, von den Ärzten«, konstatierte sie. »Aber da steckt noch was anderes dahinter. Und das macht die Sache erst so richtig gefährlich.«
Die Bohnenstange trabte zum Wagen und kletterte auf den Beifahrersitz. Der Kerl schlug die Tür zu, dann zappelte er schniefend in seiner Jacke hin und her. Calder unterhielt sich draußen weiter mit dem Krakauertypen und zückte schließlich ihr Telefon.
In der Ferne tauchte das verschwommene Leuchten von Scheinwerfern auf. Mit dem Kopf signalisierte Calder dem Krakauertypen, sich zurückzuziehen. Nach drei Metern wurden sie zu unsichtbaren Wiedergängern.
Jo saß hinter dem leeren Fahrersitz. Sie
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