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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine schöne Zeit! Vor allem gewöhnte man sich an die ›sibirische Hexe‹. Hellenbrand wurde überall genannt. Das von vielen, auch von Bürgermeister Beiler so gefürchtete Gelächter über die spinnerten Buren vom Münsterland blieb aus; statt dessen nahm die ganze Welt die Ereignisse in der kleinen Stadt sehr ernst. Mit Ausnahme der Mediziner natürlich, aber dieses akademische Störfeuer trieb nur noch mehr Kranke nach Hellenbrand. Stimmen, vorerst nur leise, wurden laut, daß es nicht richtig gewesen sei, den beliebten Lehrer Stefan Doerinck zu beurlauben. Einen so guten Lehrer gäbe es nie wieder.
    Corinna behandelte die Kranken am Vormittag drei Stunden und am Nachmittag drei Stunden. Nach diesen sechs Stunden war sie ausgepumpt, saß mit großen Augen und hohlen Wangen in einem Sessel, und Dr. Hambach sagte schließlich energisch: »So geht das nicht weiter, Cora. Denk an das Kind! Was du machst, ist unverantwortlich.« Und sie antwortete dann immer: »Draußen stehen die Kranken, denen ich helfen kann. Ich muß ihnen helfen.«
    Eine Woche vor Weihnachten und damit auch eine Woche vor der Hochzeit erschien die Illustrierte mit den sechs Farbseiten von Marius' Gemälden. Ganz nebenbei wurde im Text erwähnt, daß Corinna Doerinck diesen Maler in Kürze heiraten werde. Die Reaktion war enorm: Galerien aus Köln, Berlin, München, Hamburg, Hannover, Stuttgart und Frankfurt boten Ausstellungen an, zwei Kunsthändler aus Paris wollten die Exklusivvertretung der M.H.-Bilder haben, ein großes Kunsthaus in London öffnete für Marius seine Pforten, aber das wurde alles übertroffen durch ein Telegramm aus New York. Es kündete den Besuch eines Repräsentanten des Kunsthändlers Morrison & Sons an.
    »Das ist der Augenblick, wo man einem Herzschlag erliegen müßte!« rief Marius und küßte Corinna über das ganze Gesicht. »Wen Morrison and Sons übernimmt, der hat ausgesorgt. Cora, hau mir eine runter! Das ist doch nur ein Traum …«
    Es war kein Traum. Ein Mr. James Harris kam gerade zur Hochzeit zurecht, betrachtete noch vor den Feierlichkeiten die Bilder und sagte in einem kauenden Deutsch: »Noch besser als in Magazin! Wir übernehmen. Ganze Kollektion! Vertrag für Exklusiv. Okay? Wir machen erst große Propaganda, dann Ausstellungen in New York, Washington, Chicago, San Franzisko, Los Angeles, Dallas, Boston. Sie sind der ›Neue Impressionist‹. Okay?«
    »Erst heiraten wir«, sagte Corinna und hakte sich bei Marius unter. »Die Bilder laufen nicht weg.«
    »Aber Konkurrenz kommt! War schon da?«
    »Jede Menge, Mr. Harris.«
    »Es gibt nichts Besseres als Morrison and Sons! Sie werden es nicht bereuen.«
    Die Hochzeit gab Anlaß, daß die Hellenbrander mit den Zähnen knirschten. Zwar nahm die standesamtliche Trauung der Stadtamtmann Josef Siepen vor – an einem Dienstag, morgens um neun, wo kaum einer Zeit hatte, zu gaffen; trotzdem standen fast vierzig Menschen vor dem Standesamt und klatschten, als Corinna aus dem Wagen stieg, und warfen ihr Blumen zu, aber das große Ereignis, die kirchliche Trauung in Weiß mit Schleier und einem Brautstrauß aus roten Orchideen, die fand nicht in Hellenbrand statt, sondern in der Jakobi-Kirche von Coesfeld. Das erfuhr man erst einen Tag vorher, durch eine Indiskretion des Blumengeschäftes Werremann. Sofort hieß es in Hellenbrand: »Es war doch richtig, daß man den Doerinck nicht mehr unterrichten läßt. In Coesfeld heiraten sie! So eine Frechheit!«
    Trauzeugen waren Dr. Roemer – und Dr. Wewes. Bei einem seiner letzten Besuche, nicht mehr heimlich und durch den Garten, sondern freimütig und hoch erhobenen Hauptes, hatte er zu Corinna gesagt: »Ich muß mich entschuldigen für meine Feigheit, die bisher verhindert hat, mich zu Ihnen zu bekennen. Das ist vorbei, Corinna. Sie haben mir die Gesundheit wiedergegeben, und dazu stehe ich. Ich habe nach einer langen Erklärung den Ärztestammtisch verlassen und den Herrn Kollegen erklärt, daß ich mit all meinen Möglichkeiten für Sie eintreten werde. Das hat einen gewaltigen Krach gegeben, doch nun bin ich froh, daß alles vorbei ist. Mir ist klar, daß meine Kollegen mich schneiden werden, auch von der Standesvertretung werde ich noch attackiert werden, aber mir ist das egal. Willbreit schrie mich sogar an: ›Verräter!‹ Ich habe geantwortet: ›Du Ignorant!‹ Damit war alles gelaufen. Das mußte ich Ihnen sagen, Corinna.«
    Spontan hatte Corinna ihn darauf gebeten, Trauzeuge zu sein, und Dr. Wewes hatte

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