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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Aufregung erzeugten Hunger und Durst. Die wildesten Gerüchte kamen auf: Eine einstweilige Verfügung des Gerichts hat die Behandlungen untersagt. Die Ärzte haben gesiegt. Der Kreisarzt hat die Heilungen verboten. Die Kriminalpolizei hat innen im Zelt alles versiegelt. Die Staatsanwaltschaft hat mit Verhaftung gedroht.
    »Wenn das so ist«, rief ein dicker, bärtiger Mann, der auf einem Stuhl vor dem Zelt inmitten der aufgeregten Menge stand, »wenn die Stinksäcke von den Behörden das verboten haben, dann machen wir'n Protestmarsch durch Münster zum Regierungspräsidenten. Jawoll. Dat machen wir! Soll'n wir uns dat gefallen lassen?«
    Das Fernsehen und die Journalisten, die sich sofort auf Hellenbrand stürzten, prallten am Vorgartenzaun von Doerincks Haus ab. Niemand wurde hineingelassen, keiner sah Corinna mehr. Zu sprechen war nur Stefan Doerinck, der immer wieder sagte: »Verdammt, nehmt es hin: Es ist alles vorbei. Keine weiteren Kommentare.« – oder Dr. Roemer, den man fürchtete, denn er brüllte straßenweit: »Gewöhnt euch daran, in den eigenen Stiefel zu pinkeln! Corinna ist weder verhaftet, verunglückt noch verrückt geworden. Es gibt nur die ›Strahlenden Hände‹ nicht mehr. Basta!«
    »Und warum?« rief einer der Reporter.
    »Sie hat einen von euch behandelt«, schrie Roemer giftig. »Seitdem ekelt sie sich!«
    Es war ein chaotischer Zustand. Niemand wußte, was hinter Corinnas Rückzug steckte. Die Spekulationen blühten immer exotischer. Selbst als am vierten Tag der Aufregung die Kranken in einem Fackelzug an Doerincks Haus vorbeizogen und im Sprechchor nach Corinna riefen, zeigte sie sich nicht. Nur Ljudmila kam ans Fenster, breitete bedauernd die Arme aus und schüttelte den Kopf. Eine große Boulevard-Zeitung schockte am nächsten Morgen mit einer riesigen Balkenschlagzeile ihre Leser: ›Welche Tragödie zerreißt die Doerincks?‹ Aus Holland rief Professor van Meersei an und wollte sofort kommen. Neroschenko meldete sich telegrafisch zwei Tage später aus Moskau: ›Was ist los? Wollt ihr nach Rußland kommen?‹ Eine Woche später brach eine Briefflut über Corinna herein. Wissenschaftler aus aller Welt fragten an, der Telegrammbote von Hellenbrand kam kaum noch aus dem Sattel seines Fahrrades und fluchte, im Postamt genoß man für ein paar Tage den Kontakt zur weiten Welt: Tokio und Sidney, Los Angeles und Ontario, Quebec und Miami, Honolulu und Seoul, Peking und Neu-Delhi benutzten zum erstenmal den Namen Hellenbrand als Postadresse. Das war schon ein Erlebnis.
    Unberührt von dieser äußeren Aufregung saßen Corinna und Marius oben in Corinnas altem Jungmädchenzimmer und blätterten in den Angeboten, die sie von verschiedenen Häusermaklern angefordert hatten. Es war nichts darunter, was sie suchten.
    »Wo sollen wir überhaupt hin?« fragte Marius. »Dorthin, wo uns keiner kennt, ich weiß. Da bleibt nur noch übrig: Grönland. Oder der Urwald am Oberlauf des Rio Xingu in Brasilien. Oder eine der tausend Inseln in der Suva-See. Vielleicht ein schönes Plätzchen in den Anden, neben noch unbekannten Inkaruinen? Auch das Hochland von Burma wäre gut … Sonst wüßte ich nichts.«
    »Ich möchte in die Schweiz«, sagte Corinna. »Irgendwo ein Haus in den Bergen. Da kümmert sich niemand um uns. Da bist du ein Maler, der auch in seinem Gärtchen arbeitet, das Holz für den Winter hackt, ab und zu im Wirtshaus seinen Wein trinkt und sonst unauffällig lebt. Und Corinna ist die dazugehörige Frau, und ein Kind hat er auch. Mehr ist an uns nicht interessant.« Sie legte die Prospekte mit den angebotenen Häusern zusammen und schob sie weg. »So stelle ich mir das vor. Ruhe möchte ich haben, nur Ruhe … und dich und das Kind. Jetzt, wo ich ein Mensch wie alle anderen bin.«
    »Und … wenn alles wiederkommt … nach der Geburt?«
    »Es kommt nicht wieder, Marius.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich spüre es. Und ich bin so froh darüber – vor allem, daß ich dich noch retten konnte.«
    Auch Doerinck war froh über die Entwicklung der Dinge. Nach dem ersten Schreck, den Corinna hinterließ, als sie weinend von Marius nach Hause gebracht wurde, sagte er zu seinem Schwiegersohn: »Wenn du das erreicht hast, daß Cora ein normaler Mensch geworden ist, habe ich dir viel abzubitten. Aber warum wollt ihr weg?«
    »Hier hätten wir nicht eine einzige Stunde Ruhe.«
    »Da gebe ich dir recht. Aber muß es gleich so weit sein?«
    »Es gibt doch heute keine Entfernungen mehr, Papuschka«,

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