Die strahlenden Hände
nicht. Auch nicht Mamuschka.«
»Soll ich es ihnen sagen? Und was ist mit Marius?«
»Er ist verrückt vor Glück. Sieh nur seine Bilder an … ein Feuerwerk der Freude. Er hat jetzt vierundvierzig Bilder fertig. Der Auftritt des Malers Marius Herbert in der Kunstszene wird eine Sensation werden. Gestern waren zwei Redakteure einer großen Illustrierten hier. Sie haben die Bilder gesehen, waren begeistert und wollen sechs Farbseiten mit Marius' Gemälden in die Illustrierte nehmen. Damit ist Marius über Nacht ein Begriff.«
»Und deine Gegenleistung?« fragte Hambach ahnungsvoll.
»Bei einem der Redakteure habe ich die Behandlung seines chronischen Asthmas begonnen.«
»Was wäre Marius ohne dich, Corinna …«
»Was wäre jeder Mensch ohne einen anderen Menschen, auf den er sich stützen kann?« Sie gab Dr. Hambach die Hand, er hielt sie fest und sah Corinna stumm und fragend an. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Onkel Ewald. Ich will das Kind, und ich sage es auch selbst Papa und Mamuschka. Aber du solltest es zuerst wissen … als Arzt.«
Man kann verstehen, daß Stefan Doerinck nicht in einen großväterlichen Jubelschrei ausbrach, als Corinna ihm erklärte: »Weihnachten werden Marius und ich heiraten. Ich bin im dritten Monat, Papa.«
»Es war ein Fehler, ihn nicht gleich bei der ersten Begegnung zu kastrieren«, knurrte Doerinck. »Gut, gut, er mag ein lieber Junge sein; begabt ist er auch, das hat er nun bewiesen, seine Bilder sind wirklich gut, jetzt, wo er dicker wird, sieht er auch nicht mehr aus wie ein tapeziertes Skelett …«
»Sein Magenkrebs ist fast ausgeheilt, Papa. Ich spüre in meinen Fingern kaum noch einen Widerstand, kaum noch Stiche.«
»… das alles ist einfach fabelhaft – nur habe ich mir den Vater meines Enkels eben anders vorgestellt.«
»Ich muß mit ihm leben, nicht du. Und wir wissen beide, es wird ein schönes, erfolgreiches, erfülltes Leben. Vergiß nicht: Wir haben die Hälfte unseres Lebens fast schon hinter uns. Ich bin dreißig, Marius ist einunddreißig. – Was sagst du, Mamuschka?«
»Wo Liebe ist, soll man nicht die Kartoffeln zählen, sagt man in Grusinien. Ich sehe, du bist glücklich, Corinnaschka … das ist ein Himmel auf Erden!« Ljudmila räusperte sich und zeigte hinüber zu Doerinck. »Er soll sich nicht aufregen wegen des frühen Kindes; er hat damals in Poti nur Glück gehabt. Wir haben uns geliebt, ohne zu denken … und so muß es auch sein. Ist es so, Stefanka?«
»Du hast recht wie immer, Ljudmilaschka«, sagte Doerinck zärtlich. »Zum Teufel also mit den ganzen Bedenken: Machen wir Weihnachten Hochzeit! Hoffentlich hat der KERL einen Jungen hingekriegt …«
Die Auswertung der Experimente von Tscheljabinsk und der sensationelle Bericht von Professor Neroschenko – zuerst in der Zeitschrift der Akademie der UdSSR in Moskau, später in allen Sprachen in den Fachblättern für Psychologie und Biologie, und verkürzt und sensationell aufgemacht in den großen Illustrierten in Amerika, Italien, Frankreich, Japan, Spanien, Holland, China, Südafrika und Australien – erzeugte eine Sturmflut von Kommentaren, Meinungen, Zweifeln, Angriffen und begeisterter Zustimmung. Die negativen Stimmen – vor allem, wie erwartet, von Medizinerseite – überwogen. Eine französische Illustrierte brachte die erste Karikatur: Corinna vor dem alten lieben Gott, wie sie ihm mit einer großen Schere den weißen Bart abschnitt. Darunter stand: »Ab mit dem Bart! Setz dich auf Wolke 32! Du bist auch nur eine bio-plasmatische Strahlung!«
Aber den Namen Corinna Doerinck kannte jetzt die ganze Welt.
Die Heilungsuchenden fuhren wieder in Scharen nach Hellenbrand. Die Busunternehmen veranstalteten erneut Sonderfahrten. Die Gasthäuser, Pensionen und kleinen Hotels in der Umgebung von Hellenbrand wurden der Sorge ledig, wie man den im Münsterland immer schlechten Spätherbst und Winter überstehen sollte. Die ›sibirische Hexe‹, wie ein Reporter sie kühn getauft hatte nach ihren nun weltweit bekannt gewordenen Experimenten in Tscheljabinsk – ein Name, den man mit geradezu geiler Wonne übernahm und der an Corinna kleben blieb –, sorgte für volle Zimmer und abendliche Saufrunden. Auch die Buden rund um das Zelt machten ein gutes Geschäft. Jeder Tag war praktisch ein Volksfest. Sonntags, nach der Kirche, spielte auf dem Platz sogar die Schützenkapelle eine Stunde lang flotte Märsche und Operettenmelodien. Darauf ging es zum Frühschoppen … Leute, es war
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