Die strahlenden Hände
Wiedergeburt!«
Willbreit mußte Roemer weit nach Mitternacht nach Hellenbrand fahren, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenfalls dort zu übernachten. Aber er schlief nicht; die Röntgenbilder hatten seinen Nerv getroffen. Roemer war gesund geworden. Nach einer aussichtslosen Krankheit. Nur durch die Strahlkraft von zwei Mädchenhänden. Man mußte es anerkennen, auch wenn man es nicht wahrhaben wollte. Das Wichtigste war jetzt, dafür eine medizinische Erklärung zu finden.
In diesen zehn Tagen hatte auch endlich der Leitende Oberstaatsanwalt bei Roemer angerufen. Bei ihm lagen jetzt zehn getrennte Anzeigen gegen Corinna vor, neun von Ärzten und eine von der Ärztekammer. Hinzu kam ein Bericht der Steuerfahndung mit dem Antrag, strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen.
»Die haben doch alle Jauche im Gehirn«, knurrte Roemer böse. »Nehmen Sie das etwa alles ernst, Herr Oberstaatsanwalt?«
»Die Anzeigen liegen vor, wir müssen ihnen nachgehen. Es werden hier Vorwürfe erhoben, die öffentliches Interesse beanspruchen, offensichtlich wurde gegen Gesetze verstoßen!«
»Heilen ist also gesetzlich verboten?« fragte Roemer.
»Herr Direktor!« Der Leitende Oberstaatsanwalt bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Wir sollten uns nicht in Polemik verlieren. Jeder Arzt darf behandeln und heilen, jeder …«
»Und was ist, wenn die Ärzte trotz allen akademischen Wissens sagen: Aussichtslos! Was dann?«
»Tja, dann … Ich weiß nicht …«
»Aber ich weiß es. Ich stelle mich vor Corinna Doerinck. Nach jetzt sechs Wochen Behandlung durch sie bin ich nachweislich gesund. Nach medizinischem Wissen und nach dem Urteil der Ärzte hingegen würde ich längst im Grabe liegen. So ist das, Herr Oberstaatsanwalt! Die Ärzte, die heilen dürfen, haben versagt. Die, die ihr verfolgen wollt, hat mir das Leben gerettet. Erheben Sie ruhig Anklage – ich werde Ihnen als Zeuge so in die Pfanne spucken, daß es dampft!«
»Eben das ist der Anlaß meines Anrufes, Herr Direktor.« Der Oberstaatsanwalt schien von Roemers Bericht sehr beeindruckt zu sein. »Sie wollen als Zeuge auftreten?«
»Und wie! Daß die Gerichtsdielen zittern!«
»Sie kennen noch mehr – Wunderheilungen?«
»Eine Menge! Sie werden sich wundern, wer in Münster alles auftauchen wird. Das wird ein Adreßbuch der besten Namen. Wer Corinna auf die Füße treten will, dem donnere ich eins in den Hintern. Die Hauptverhandlung wird zu einem Tribunal werden.«
»Was wissen Sie über eine Steuerhinterziehung, Herr Direktor?«
»Etwas Hirnloseres gibt es nicht.«
»Fräulein Doerinck soll große Summen eingenommen haben.«
»Nein.«
»Man hat das Geld gezählt und quittiert.«
»Es handelt sich um Geschenke, die Corinna nicht angenommen hat. Das Geld liegt da, aber es gehört keinem. Keiner will es.« Roemer gluckste freudig. »Er ist unter keiner Steuernummer zu erfassen.«
»Das gibt es doch nicht!«
»Es ist mir ein geradezu betäubendes Vergnügen, zu erleben, wie hilflos eine Behörde sein kann. Darauf muß ich einen trinken!«
Roemer legte auf und ließ einen sehr verunsicherten Oberstaatsanwalt in Münster zurück.
Bei der Kriminalpolizei wurde der Mordanschlag gegen Corinna mit einem Giftblaspfeil, wie erwartet, zu einer Aktenleiche. Es gab keinerlei Hinweise auf den Täter. Es gab außer dem zerbrochenen Pfeil und dem analysierten Gift keine Spuren. In Hellenbrand hatte niemand Celebes oder Borneo besucht, es blieb alles ein Rätsel – genau wie die Brandstiftung. »Da kann nur noch der Kamerad Kommissar Zufall helfen«, sagte Oberrat Fernich zu Roemer. »Mit einem Blasrohr ist im Münsterland jedenfalls noch niemand ermordet worden. Es wird auch nicht wieder vorkommen.«
So glätteten sich die Wogen und die Zeit jagte dahin.
Im November weihte Corinna Dr. Hambach unter vier Augen in ihr Geheimnis ein: daß ein Baby unterwegs war. Dr. Hambach fuhr sich mit der Hand durch das weiße Haar, sah Corinna kopfschüttelnd an und sagte: »Ist das sicher? War das nötig?«
»Es ist sicher, Onkel Ewald … und ich liebe Marius …«
»Du willst das Kind also haben? Du willst es austragen?«
»Auf jeden Fall! Ich bin jetzt im dritten Monat.«
»Als Arzt so etwas zu sagen, ist zwar sträflich, aber, das weißt du, du bist für mich wie eine Tochter: Noch ist es nicht zu spät! Ab der zwanzigsten Woche würde ich zu dir sagen: Begehe keinen Mord. Dann bewegt es sich. Dann ist es richtiges Leben. Weiß es Stefan?«
»Nein, Papa weiß es noch
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