Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
wenn eine schöne Frau mich anblinzelt, muß ich sagen: Pardon, Madam, was ist ein Bergmann ohne Hammer …! Wäre es nicht besser, jetzt auf alle Pauken zu hauen, solange es noch geht, und dann mit Glanz und Gloria zum Teufel zu reiten?«
    »Das mußt du wissen. Das ist ganz allein deine Entscheidung. Was ich dir als Arzt sagen konnte, habe ich gesagt. Nun bist du dran.«
    Roemer ließ sich also auf unbestimmte Zeit krankschreiben. Seiner Frau Elise erzählte er, bei Gericht seien die Kammern neu besetzt worden und man habe ihn abgestellt, eine juristisch-wissenschaftliche Arbeit über die Behandlung von Sachverständigen zu schreiben. Das war ein absoluter Blödsinn, aber Elise interessierte sich sowieso nicht dafür. Sie war mit Golf, Jagd und Tennis, Modeschauen und Soirees so voll beschäftigt, daß sie die Tätigkeit ihres Mannes nur insoweit beachtenswert fand, als sie daraus das Recht abzuleiten glaubte, sich Frau Landgerichtsdirektor nennen zu können. Vielleicht einmal sogar Frau Präsident. »Mein Mann ist ja so beliebt! Sobald er einen großen Prozeß leitet, schreiben alle Zeitungen über ihn und geben seine Worte wieder. Ja, meine Liebe, man kann stolz auf ihn sein …« Wenn Roemer allerdings zufällig in eines ihrer Damenkränzchen platzte und knurrte: »Du hast wieder Hühner auf der Stange – mein Gott, da kann ja ein Hahn schwul werden!« warf sie das Köpfchen in den Nacken und antwortete: »Puh, du Bauer …« Roemer empfand das als eine ganz besondere Ehrenbezeichnung.
    Drei Tage blieb Roemer in seiner Riesenvilla, las alles, was er über eine Stauungsleber bekommen konnte, lieh sich aus der Universitätsbibliothek Fachbücher und Dissertationen und wußte nach diesen Tagen, daß Willbreit ihm die volle Wahrheit gesagt hatte. Ein Satz aber unter Tausenden von Sätzen blieb in ihm haften: »Die Ursachen einer Stauungsleber sind noch nicht bis ins letzte bekannt.« Ein irrsinniger Gedanke setzte sich danach in ihm fest: Wo Unbekanntes ist, gibt es noch Raum für Wunder. Mensch, Roemer, glaube an ein Wunder!
    Am vierten Tag seiner Krankschreibung fuhr er nach Hellenbrand. Nicht in seinem protzigen Wagen, sondern mit einem gemieteten Ford. Er wollte nicht auffallen, er wollte inkognito kommen, heimlich, durch die Hintertür sich einschleichen. Immerhin war er ein Landgerichtsdirektor.
    *
    Es gibt zwei Möglichkeiten, den Einfluß und die Autorität eines Menschen zu untergraben: Entweder greift man ihn massiv an – oder man schweigt ihn tot. Das erstere ist spektakulärer, birgt aber in sich die Gefahr, daß der Angegriffene zurückschlägt. Falls er dann bessere Argumente hat, wird es kritisch. Der Totgeschwiegene hingegen hat keinerlei Abwehrwaffen; denn wer nicht wahrgenommen wird, wen es offiziell nicht gibt, der kann auch nicht beachtet werden – es sei denn, es handele sich um eine Persönlichkeit, die alle Fesseln sprengt, auch das Schweigen.
    Willbreit dachte lange darüber nach, wie er gegen Corinna Doerinck vorgehen sollte. Er war beleidigt, bis ins Mark beleidigt, in seiner Ehre als Arzt gekränkt. Was das bedeutet, kann nur der ermessen, der schon mal einen Arzt gekränkt hat. Ein beleidigter Arzt verzeiht nie. Die akademische Glanzpolitur verträgt keinen Kratzer. Wer dennoch einen Kratzer anbringt, schädigt den Himmel.
    Zuerst hatte Willbreit sich entschlossen, einen Artikel zu schreiben: ›Über die neuen Scharlatane.‹ Dann aber kam er zu der Erkenntnis, daß man dieser Corinna Doerinck zuviel Ehre antue, würde man über sie schreiben. Zuschweigen, das war es! Einfach zudecken mit Mißachtung. Hatte ein Professor Willbreit es nötig, sich mit einem spinnerten Mädchen herumzuschlagen?
    Dreimal rief er bei Roemer an.
    »Was tust du?« fragte er.
    »Ich lese«, antwortete der Richter.
    »Wieder eines deiner pornographischen Bücher? Titel?«
    »Die Behandlung von Leberfibrosen.«
    »Erasmus, du solltest …«
    »Leck mich doch rauf und runter! Gute Nacht.« Roemer legte auf.
    Am dritten Tag versuchte Willbreit, Roemers Frau Elise zu sprechen. Aber sie war zur Jagd in Kärnten, bei einem Baron v. Loxenfeldt, und als er im Schloß anrief, berichtete ihm eine steife Butlerstimme, daß die gnädige Frau und der Herr Baron zur Zeit in Ungarn weilten. Man habe ihnen dort den Abschuß eines Braunbären versprochen. Willbreit resignierte und nahm sich vor, seinen Freund Roemer morgen oder übermorgen zu besuchen. Der Gedanke, daß der Riese wie ein verwundeter Elefantenbulle seinem Ende

Weitere Kostenlose Bücher