Die strahlenden Hände
und Ultraschallbildern lag Roemer dick und erschöpft vor Willbreit auf der Chaise und sah ihn mit großen, bettelnden Kinderaugen an.
»Spuck es aus!« sagte er matt. »Die Streichlerin hatte recht, nicht wahr?«
»Du hast's tatsächlich an der Leber, Erasmus …«, wich Willbreit aus.
»Und was ist es genau?«
»Wir nennen es eine chronische Stauungsinduration.«
»Wieder das Mediziner-Scheißlatein! Gibt es keine Übersetzung?«
»Du leidest unter einem Leberumbau.«
»Ich bin Jurist, aber kein Architekt.«
»Es ist gut, daß du deinen Humor behältst.«
Roemer legte den Kopf auf die Seite. »So schlimm. Thomas?«
»Wie soll ich dir das als Laien erklären? Deine Leber verändert sich durch eine Abflußbehinderung des Blutes. Eine venöse Hyperämie.«
»Ich flehe dich an: Sprich klarer, Junge!«
»Ich versuche es ja.« Willbreit beugte sich über die Untersuchungsergebnisse. Das hatte den Vorteil, Roemer nicht anblicken zu müssen. »Zugrunde gegangene Leberzellen werden bei dir durch kollagenes Bindegewebe ersetzt, also eine Leberfibrose.«
»Scheißlatein!« brüllte Roemer. »Red vernünftig, oder ich springe dir ins Gesicht!«
»Kollagene Fasern, auch feine unverzweigte Fibrillen genannt, entstehen aus Eiweißen, die zu den Gerüsteiweißkörpern gehören und hauptsächlich aus Monoaminosäuren bestehen. Enzymatisch können sie kaum zerlegt werden. Diese Kollagene erzeugen eine fibrinoide Verquellung des Bindegewebes und …«
»… und regen einen Kranken an, zu seinem Arzt zu sagen: Leck mich am Arsch!« Roemer schob sich von der Liege, stemmte die mächtigen Beine auf den Boden und sah Willbreit geradezu trotzig an. »Das ist alles, was du sagen kannst? Herr Professor Dr. Willbreit – wie steht's um mein Leben?«
»Als erstes: Absolutes Alkoholverbot. Und dann: Eine internistische Therapie – also Medikamente – haben keine Aussicht auf Erfolg!«
»Das heißt: Feierabend?«
»Nein. Man kann das chirurgisch angehen. Man kann den Blutweg regeln, umleiten. Was ich bei dir vermute, ist eine intrahepatische Kreislaufstörung, ein postsinusoidaler Block. Das könnte zu einer Lebervenenthrombose führen.«
»O du Scheiße!«
»Die Operation ist nicht ungefährlich.« Willbreit vermied es aufzublicken, weil er spürte, wie sich Roemers Blick in ihn bohrte. »Die Mortalität liegt bei fünfzig Prozent.«
»Das beruhigt ungemein«, sagte Roemer sarkastisch.
»Immerhin bleibt eine Chance von fünfzig Prozent.«
»Und ohne Operation?«
»Innerhalb weniger Monate käme es unter dem Bild der Leberzirrhose mit starkem Aszites und Milztumor zum Tode.«
»Eine vernichtende Prognose. Also hatte die Streichlerin doch recht.«
»Bedingt«, wich Willbreit aus. »Wir Chirurgen sind ja noch da. Ich würde bei dir vorschlagen, eine Verbindung zwischen Milzvene und linker Nierenvene herzustellen und den Blutfluß der Pfortader zu verringern mittels eines Übergangs von einer Zuflußvene der Pfortader zu einer Nierenvene. Wir nennen das einen splenorenalen Shunt nach Warren.«
»Danke. Das genügt mir.« Roemer erhob sich, zog sein Hemd an und knöpfte die Hose zu. »Schon der Name: Spleeniger Hund …«
»Splenorenaler Shunt!«
»Mit alle dem kannst du mir den Buckel runterrutschen.« Roemer band seine Krawatte um. »Wie lange noch unbehandelt?«
»Du weißt es doch, du sturer Affe: einige Monate.« Plötzlich verlor Willbreit alle anerzogene Zurückhaltung. Er hieb mit den Fäusten auf den Tisch und brüllte: »Nur die Operation kann dir Erleichterung bringen!«
»Aha! Erleichterung!« Roemers Stimme dröhnte wie in seiner besten Zeit. »Nicht Heilung! Nur Erleichterung! Sterben auf Raten …«
»Die berühmte Fünfjahresquote liegt nach einer Operation bei fünfundsechzig Prozent. Allerdings wirst du nie mehr so leben können wie bisher. Strengste Diät, kein Tröpfchen Alkohol, ständige Herzkontrolle, viel Ruhe. Auch Finger weg von den Weibern – jede Kopulation ist für dich wie Schwerarbeit im Bergwerk acht Stunden unter Tage.«
»Ein Vergleich, der in jedes Lehrbuch gehörte!« schrie Roemer auf. »Unter Tage … das läßt ja einen Neger erblassen.«
»Du wirst nie mehr der sein, der du warst. Wenn es gelingt …«
»Wenn!«
»Ja, Erasmus. Wenn …«
»Ich werde ein Schatten von mir sein?«
»So ähnlich. Aber du lebst. Du siehst die Sonne, die Blumen, die Felder und Wälder, das Meer, die Berge und die Täler, du hörst Musik und du erlebst den Mondschein. Ist das nichts?«
»Und
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