Die Strasse der Oelsardinen
Kartoffeln. Zu Dutzenden, Hunderten wurden sie in die Jutesäcke geschleudert, die bald von erschöpften, entsetzten, enttäuschten Fröschen angefüllt waren, von triefenden, wimmernden Fröschlein. Wohl gelang es einigen wenigen, zu entkommen; etliche hatten sich auch im Teich versteckt. Doch nie zuvor in der ganzen Froschweltgeschichte hatte eine derartige Exekution stattgefunden. Es waren an die fünfzig Pfund Frösche; man zählte sie nicht, doch ihre Zahl mochte siebenhundert erreichen. Mack und Genossen banden die Säcke zu und trieften vor Nässe nicht minder als diese. Die Luft war kalt; daher nahm, um sich nicht zu verkühlen, jeder noch einen kräftigen Schluck, ehe sie wieder ins Haus zurückkehrten.
Der Hausherr hatte sich wohl noch nie so gut unterhalten und fühlte sich dafür Mack und den Jungens aufrichtig verbunden.
Als dann später die Vorhänge Feuer fingen und die Flammen vermittels der kleinen Handtücher gelöscht wurden, erklärte er lächelnd, das mache nichts.
Er hätte es geradezu als Auszeichnung empfunden, wenn sie ihm das ganze Haus niedergebrannt hätten, aber darauf legten sie keinen Wert. »Meine Frau ist ein wundervoller Mensch«, verkündete er, »die fabelhafteste Frau, die es gibt; sie hätte ein Mann werden sollen, dann hätte ich sie nicht geheiratet!«
Über diese Anmerkung mußte er heftig und anhaltend lachen.
Er wiederholte sie etwa viermal, damit er sie nicht vergesse und noch bei anderen Gelegenheiten vorbringen könne. Den aufs neue gefüllten Krug verehrte er Mack und erklärte, er wolle zu ihnen ins Palace Hotel ziehen. Seine Frau, meinte er, werde bestimmt von Mack und den Jungens entzückt sein; schade, daß sie nicht da sei! Zum Schluß legte er sich auf den Boden, den Kopf zwischen die jungen Hündchen gebettet.
Die Palace-Clique genehmigte sich noch einen Trunk und betrachtete sinnend den Schlummernden. Und Mack sprach: »Den Schnaps hat er mir geschenkt, das habt ihr gehört?«
»Natürlich hat er«, bestätigte Eddie, »wir sind Zeugen.«
»Und er hat mir ein Junges geschenkt?«
»Natürlich. Nimm dir eins! Worauf wartest du noch?«
»Ich habe nie einen Besoffenen geplündert; ich tu' es auch jetzt nicht«, erklärte Mack. »Machen wir bloß, daß wir wegkommen! Wenn er aufwacht, hat er den schönsten Katzenjammer, und dann heißt es: wir sind dran schuld.« Seine Augen wanderten von den verbrannten Vorhängen zum Fußboden, der von Schnaps und Hundedreck klitschte, von da zu dem Herd, der von Dreck- und Speckgerinnsel starrte, und endlich zu den sechs Pointerjungen. Diese musterte er mit besonderer Aufmerksamkeit, betastete Knochen und Körperbau, sah ihnen in die Augen, ins Maul und hob endlich ein schön geflecktes Weibchen mit lederfarbener Schnauze und feinen dunkelgelben Augen zu sich empor.
»Komm, Darling!«
Mit Rücksicht auf Feuergefahr bliesen sie die Lampe aus; auch dämmerte schon der Morgen, als sie das Haus verließen. »Das war der prächtigste Ausflug in meinem ganzen Leben«, rühmte Mack, »aber wenn ich mir so die Rückkehr von dem seiner Frau vorstelle, läuft es mir kalt den Rücken herunter.« Das Junge auf seinem Arm winselte. Er barg es an seiner Brust unter dem Rock.
»Er ist wirklich ein netter Kerl. Er hat es nur nicht gemütlich daheim. Das ist das einzige, was ihm fehlt. Aber wir haben das alles nur Doc zuliebe getan, Kinder, vergeßt das nur ja nicht!« mahnte er, bei ihrem Ford Modell T angelangt. »Wenn wir die ganze Geschichte bei Licht besehen und den Berg Frösche, dann muß man schon sagen: Doc ist doch ein richtiger Glücksvogel.«
16. Kapitel
Die eigentliche Stoßzeit für das Restaurant Flotte Flagge war der Sardinenfang im März. Nicht allein, weil da die Sardine in silbrigen Myriaden strömt und das Geld beinahe in gleichem Ausmaß, sondern auch, weil zur Ablösung ein neues Regiment in Garnison rückte. Frisch angekommene Soldaten neigen zum Bummeln. Aber leider war Dora in diesem Jahr sehr knapp an Personal. Eva Flanagan war auf Ferien in East St. Louis, Phyllis Mae hatte sich in Santa Cruz auf der Rutschbahn das Bein gebrochen, Elsie Doublebottom hatte ein neuntägiges Gebetsgelübde abgelegt und war bis zu dessen Erfüllung für nichts anderes zu haben. Sardinenfischer mit vollen Taschen gingen des Nachmittags aus und ein in der Flotten Flagge. Jeden Abend bei Eintritt der Dunkelheit stachen sie in See, fischten die Nacht über und wollten am Nachmittag ihr Vergnügen. Abends kamen die Soldaten vom neuen Regiment,
Weitere Kostenlose Bücher