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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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drückten sich herum, ließen den Musikautomaten spielen, tranken Coca-Cola und vertrösteten die Mädchen auf den nächsten Soldtag. Dora verursachte die Einkommensteuererklärung schweres Kopfzerbrechen. Ihr Tun war verboten, aber versteuern sollte sie es! Wie war das Rätsel zu lösen? Wie waren gleichzeitig die alten Stammkunden aus der Stadt, die Arbeiter aus den Kiesgruben, die Cowboys von den Ranchs und obendrein die Eisenbahner zufriedenzustellen? Sie kamen vollzählig und ungeniert durch den Haupteingang, während die städtischen Beamten und Großkaufleute zur Hintertür in die für sie reservierten Séparées schlüpften, die mit ihren Chintzvorhängen und -überzügen einen verschwiegenen Aufenthalt boten.
Der Monat war also wahrlich schon aufreibend genug. Aber nun brach auch noch die Grippe aus. Ganz Monterey wurde von der Epidemie befallen.
Erst erkrankten Mrs. Talbot und Tochter im Hotel San Carlos, gleich darauf Tom Work, Benjamin Peabody und Frau, die hochwürdige Mutter Maria Antonia Field sowie die ganze Familie Gross.
Monterey hatte zwar für gewöhnliche Krankheiten, Neurosen und Unglücksfälle genügend Ärzte, aber jetzt konnten diese nicht einmal jene Patienten behandeln, die genug Geld hatten, dafür zu zahlen (und trotzdem die Arztrechnung schuldig blieben).
Cannery Row, wo eine zähere Rasse gedeiht, zeigte sich widerstandsfähiger als die übrige Stadt, aber schließlich mußte auch sie dran glauben. Die Schulen wurden geschlossen. Es gab kein Haus ohne fiebernde Kinder und kranke Eltern. Die Epidemie war an sich nicht so mörderisch wie die von 1917, aber bei Kindern hatte sie oft Ohrenkrankheiten im Gefolge. Die Ärzte, die nicht wußten, wo ihnen der Kopf steht, ließen Cannery Row links liegen; es war ihnen nicht lukrativ genug.
Doc vom Western Biological hatte keine Erlaubnis zur Ausübung einer Arztpraxis und wollte auch keine. Er konnte nichts dafür, daß sich die ganze Straße um ärztlichen Rat und Hilfe an ihn wandte. Es kam wie von selbst, daß er von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte rannte und Fieberthermometer, Medikamente, Decken und Essen verteilte. Von ihren Betten blickten aus heißen Fieberaugen die Mütter zu ihm empor und dankten ihm und bürdeten ihm die volle Verantwortung für ihrer Kinder Genesung auf. Wenn ihm ein Fall bedrohlich schien, telefonierte er einem Arzt in der Stadt, und manchmal, im Fall äußerster Not, kam auch einer. Aber für die Familien war es immer ein Fall äußerster Not.
Doc fand kaum Schlaf und lebte von Ölsardinen und Bier.
Einmal traf er bei seinem Einkauf in Chongs Laden Dora, die eine Nagelschere erstand. »Sie sehen sehr übermüdet aus«, fand sie.
»Ich bin es«, antwortete Doc, »seit einer Woche habe ich nicht richtig geschlafen.«
»Es soll ja fürchterlich sein«, klagte Dora, »diese Grippe kommt mir sehr ungelegen.«
»Wir haben gottlob noch keinen Todesfall in unserem Bezirk«, beruhigte Doc, »aber mit einigen Kindern steht es verzweifelt. Die Ranselkinder haben alle Mittelohrentzündung.«
»Könnte ich irgendwie helfen?« fragte Dora.
Sagte der Doktor: »Das will ich meinen! Alle sind hilflos, die Ransels leben in Todesangst; die Kinder fürchten sich so, allein zu sein. Wenn Sie oder eins von den Mädchen bei ihnen sitzen könnten!«
Dora hatte ein Herz, weich wie ein Mäusebauch, auch wenn sie zuweilen hart sein konnte wie Diamant. Stracks machte sie kehrt und begann zu organisieren. Die Flotte Flagge wurde zur Rotkreuzfahne. Es war ein schweres Stück Arbeit, aber Dora ließ nicht locker. Der griechische Koch kochte in einem großen Kessel eine kräftige, nahrhafte Suppe, einen halben Hektoliter.
Die Mädchen hielten zwar den Betrieb weiterhin aufrecht, doch arbeiteten sie in Schichten und lösten einander ab, sowohl in den Betten wie an den Betten, und jedesmal, wenn sie zur Hauspflege in eine Familie gingen, brachten sie einen Topf Suppe mit.
Überall rief man nach Doc. Nach seinen Weisungen teilte Dora die Mädchen ein, und dabei ging während der ganzen Zeit in der Flotten Flagge der Hochbetrieb weiter. Ununterbrochen lief der Musikautomat. Fischer, Soldaten und Arbeiter standen Schlange, und die Mädchen verrichteten ihre Arbeit, nahmen dann ihre Suppentöpfe und setzten sich zu den Ranselskindern, den Ferriaskindern und den Kindern McCarthys. Sie schlüpften zur Hintertür hinaus, und wenn sie den Kranken Gesellschaft leisteten, schliefen sie manchmal im Sitzen ein.
Sie trugen kein Make-up mehr bei der Arbeit;

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