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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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versorgte die Bleistifte in der Hemdenbrusttasche, befestigte sein Vergrößerungsglas am Rockaufschlag, verstaute Flaschen, Glasplatten, Konservierungsmittel, Kübel, Gummistiefel und seine Wolldecke hinten im Wagen, wusch im Dämmer der Perlenstunde noch rasch das Geschirr der letzten drei Tage ab, warf Küchenabfälle in den Mülleimer, schloß die Tür, ohne sie abzusperren, und fuhr ab. Es schlug eben neun.
Doc reiste langsamer als gewöhnliche Autofahrer. Er hielt gern an, um irgendwo eine Wurst zu verzehren oder ein Bier zu trinken. Als er beim Leuchtturm vorbeikam, winkte er einem Hund zu, und dieser sah ihm nach und lächelte. Ehe er Monterey hinter sich ließ, hielt er, da er Hunger verspürte, bei Herman an und stärkte sich. Dabei fiel ihm eine Bemerkung ein, die ein Schriftsteller namens Blaisedell vor einiger Zeit ihm gegenüber gemacht hatte: »Du bist so verrückt nach Bier; ich glaube, du bestellst dir noch mal einen Bier-Milch-Cocktail!« Das war natürlich purer Blödsinn von diesem Blaisedell, aber sein Ausspruch ging Doc seitdem nicht aus dem Kopf. Wie mag wohl ein beer milk shake munden? Der Gedanke ließ ihn einfach nicht los. Mit jedem Glas Bier stieß er ihm auf. Gerinnt die Milch in dem Bier? Tut man Zucker dazu? Schmeckt es ähnlich wie saure Sahne?... Es war wie verhext, er traute sich kaum, Hermans Milchshaker anzusehen; sie blinzelten ihm von der Rückwand gar verführerisch zu. Doch wenn man einen Bier-Milch-Cocktail bestellt, dann nicht dort, wo einen jedes Kind kennt; lieber in einer fremden Stadt!... Aber wenn dort ein Mann mit Bart kommt und einen beer milk shake verlangt, rufen die Leute womöglich die Polizei. Ein Bartträger ist ohnedies verdächtig. Er darf nicht einmal sagen, er trage einen Bart, weil es ihm Spaß mache. Die Wahrheit ist hier wie fast überall unbeliebt. Als weiser Mann lügt er lieber und redet etwas von einer Narbe, die ihm beim Rasieren hinderlich sei.
Als Doc an der Universität Chikago studierte, hatte er eine unglückliche Liebe, war außerdem überarbeitet und begab sich daher mit Stock und Rucksack auf Wanderung, lief endlose Wege durch Kentucky, North Carolina, Georgia bis Florida, traf Farmer, Fischer, Gebirgler und Sumpfbewohner, kurz: Menschen aller Art, und alle fragten ihn, warum er so durch die Gegend renne. Als wahrheitsliebender Jüngling erklärte er, er sei nervös und wolle gern das Land sehen, das Gras, die Bäume und Vögel, den Duft der Erde atmen und sich an der Landschaft ergötzen. Da ärgerten sich alle, weil er die Wahrheit sprach. Die einen schimpften, andere tippten mit dem Finger an die Stirn, wieder andere kniffen ein Auge zu, als durchschauten sie ihn. Er wurde für einen Schwindler gehalten. Besorgt um seine Töchter, Schweine oder Hühner, wies ihm so mancher die Tür und riet ihm, sich nie wieder blicken zu lassen.
Darauf gab der junge Doc der Wahrheit den Laufpaß und erzählte jedermann, der es wissen wollte, es handle sich um eine Wette: um hundert Dollar! Das glaubten ihm alle, und er war überall, wohin er noch kam, beliebt. Man lud ihn zum Abendbrot und zum Übernachten ein, setzte ihm morgens ein gutes Frühstück vor, wünschte ihm glückliche Reise und fand, er sei ein Prachtmensch. Noch immer liebte er die Wahrheit, aber sie war, das wußte er jetzt, als Geliebte gefährlich.
In Salinas kehrte er nicht ein, wohl aber in Gonzales, King City und Paso Robles, aß jedesmal einen Hamburger und trank ein Bier. In Santa Maria nahm er zwei Hamburger und zwei Bier zu sich, denn bis Santa Barbara hatte er noch einen gehörigen Weg.
Dort angelangt, hatte er Suppe, Braten mit Gemüse, Salat, Kartoffelbrei, Ananastorte, Blue Cheese und Kaffee, tankte und ging, während man seinen Ölstand und die Reifen überprüfte, in den Waschraum, wo er sich wusch und den Bart kämmte. Als er von dort zurückkam, stand eine Anzahl kräftiger Kerle um seinen Wagen herum.
»Nach Süden, Mister?«
Nun war Doc in diesen Dingen kein heuriger Hase und wußte, daß man sich einen Mitreisenden sehr genau ansehen muß.
Am besten fährt man mit Alterfahrenen. Sie reden unterwegs nicht viel. Neulinge meinen immer, sie müßten ihre Freifahrt mit Unterhaltung bezahlen. Manchmal gerät man an Burschen, die schwätzen dem Teufel das Ohr weg. Auf alle Fälle muß man dem Tramper sagen, man fahre nicht weit. Wenn er einem dann über wird, ist man ihn rascher wieder los. Hat man Glück, so findet man einen, der sich unterwegs als nützlich erweist. Doc

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