Die Straße des Bösen
Mordgesellen?
Als die Vermummten das Zelt des Priesters betraten, zog Mythor sich zurück. Es war unmöglich, unentdeckt nahe genug heranzukommen, um vielleicht doch ihre Unterhaltung belauschen zu können. Mythor musste sich mit dem begnügen, was er gesehen hatte.
Von finsteren Ahnungen geplagt, machte er sich auf den Rückweg, und die Zukunft wäre ihm noch düsterer erschienen, hätte er gewusst, wer unter den Vermummungen steckte. So aber beschäftigten ihn quälende Fragen, ob er nicht die Pflicht habe, Herzog Krude zu helfen, und ob es überhaupt noch möglich sei, den Vater Nyalas vom dämonischen Bann zu befreien.
Als er die Ruine erreichte, fand er Buruna nicht mehr draußen vor, dafür aber eine recht eindeutige Situation im Inneren des zerfallenen Bauwerks.
Buruna lag eng an Gapolo gekuschelt. Sie hatte sich ein anderes »Opfer« für ihre Leidenschaft gesucht. Nur für einen Augenblick empfand Mythor Zorn auf sie, aber nicht, weil sie einem anderen die Freuden ihres Körpers geschenkt hatte. Damit hatte sie vielleicht das erreicht, was noch so viele Worte nicht schafften: dem Salamiter neuen Lebensmut zu geben. Und wahrscheinlich war genau das ihre Absicht gewesen.
Nein. Mythor ärgerte sich darüber, dass sie ihr Wort nicht gehalten hatte und die Ruine unbewacht ließ.
Lamir schlief fest und machte eine besondere Art von Musik: Er schnarchte. Allerdings musste Mythor zugeben, dass dies auch nicht viel schlechter klang als seine sonstigen Darbietungen .
Er fand einen noch halb vollen Weinschlauch und setzte ihn an seinen Mund. Er trank in vollen Zügen, bis er leer war. Danach fühlte er sich ein wenig besser, schläfrig zwar, aber die trübsten Gedanken waren ihm für einen Augenblick genommen. Doch er durfte nicht schlafen. Jemand musste hinaus, Wache halten.
Mythor trat aus der Ruine und fand zu seiner Überraschung Hark dort zusammengekauert, wo sein Platz hätte sein sollen. Der Bitterwolf hob den Kopf; samtig glühten seine Augen in der Dunkelheit. Harks Schweif wedelte über den Boden, als Mythor sich neben ihn hockte und ihm durchs Nackenfell strich.
»Braver Kerl«, murmelte Mythor, und als habe Hark seine Worte verstanden, begann er, Mythors Arm zu lecken.
»Du meinst, du willst die Wache übernehmen?« fragte Mythor amüsiert. »Wahrhaftig, einen Besseren als dich wüsste ich nicht dafür.«
Mythor stand auf und sah nach Pandor und den Pferden. Pandor war hellwach. Mythor gab ihm einen Klaps auf den Hals und sah, dass auch hier alles ruhig war.
Nur als der Wind einmal die Arbeitsgeräusche der Caer und ihrer Sklaven über die Yarl-Straße und die Hügel herübertrug, schnaubte das Einhorn verstört.
Auf Pandor und Hark würde er sich verlassen können, überlegte Mythor. Und sicher kreiste irgendwo über der Ruine Horus, wenn er nicht gerade Jagd auf Mäuse und anderes Kleingetier machte.
Mythor ging zurück zu den anderen und legte sich hin. Er lag nicht lange wach. Mit den Händen auf Fronjas Bildnis unter dem Wams schlief er ein.
Er schlief fest, die ganze Nacht hindurch, und er sah und hörte nicht, wie sich ihm jemand auf Zehenspitzen näherte, eine Weile bei ihm verharrte, um sich dann ebenso lautlos wieder zurückzuziehen.
*
Mythor erwachte, als die ersten Strahlen der Wintersonne wie Lichtspeere durch die schmalen Fenster, Scharten und über Mauervorsprünge in die Ruine fielen.
Lamir saß neben Hark im Eingang und machte sich an dem Kadaver einer Katze zu schaffen. Gapolo und Buruna schliefen noch.
Mythor ging an Lamir vorbei hinaus und wurde von Hark zur Begrüßung angesprungen. Er spielte mit dem Wolf und wusch sich das Gesicht mit dem wenigen Schnee, der noch vor der Ruine lag.
Sein Gesicht brannte. Allmählich wurde Mythor klar. Der Wein war schwer gewesen, doch die Benommenheit wich schnell. Und plötzlich wusste der Sohn des Kometen, dass etwas nicht stimmte.
Einige Herzschläge lang stand er da und versuchte zu ergründen, woher die Unruhe kam, die ihn erfasst hatte. Dann war es wohl eine Eingebung, die ihn über sein Wams tasten ließ, über die Stelle, wo er das Pergament mit dem Bildnis Fronjas trug.
Es war nicht mehr da!
Mythor stieß einen Schrei aus. Er griff unter das Wams, konnte nicht glauben, dass er seinen wertvollsten Besitz verloren hatte. Aber seine Hand tastete nur über die eigene Haut. Und das Pergament hatte er noch angesehen, bevor er sich hinlegte!
Mythor fuhr herum. Lamir sprang entsetzt auf und begann zu stammeln, als er diesem
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