Die Straße des Bösen
Stelle fanden, an der der Rand der Straße des Bösen auf eine Strecke von fünf Mannslängen unbewachsen war. Dennoch hätte dies fast nicht gereicht.
Mythor wartete, bis Buruna und Gapolo mit Lamir zwischen den Peitschenpflanzen hindurch und auf freiem Gelände waren. Lamirs Pferd folgte ihnen. Dann erst schickte Mythor sich selbst an, die Yarl-Straße zu verlassen.
Ein Wall von einer halben Mannslänge Höhe begrenzte sie hier. Und genau in dem Augenblick, als Pandor die Vorderhufe auf die aufgetürmte Erde setzte, schrie Buruna eine Warnung.
Mythor hörte das Rauschen in der Luft. Hochblicken und Alton aus der Scheide ziehen waren eines. Eine Schlangenpflanze, die zwei Mannslängen von Mythor entfernt aus dem Boden wuchs, peitschte auf ihn herab. Mythor sah die rote Spitze auf sich zuschießen, duckte sich im letzten Augenblick und wurde von dem messerscharfen, spitzen Stachel nur um eine Handbreit verfehlt. Bevor der biegsame Stamm wieder in die Höhe zucken konnte, durchtrennte Mythor ihn mit einem einzigen Hieb des Gläsernen Schwertes. Pandor übersprang den Wall aus dem Stand und galoppierte davon. Mythor drehte sich auf seinem Rücken und sah, wie ein Strahl ätzender Flüssigkeit aus dem peitschenden Stamm spritzte und eine andere Pflanze, die davon getroffen wurde, in Augenblicken zerfraß.
Dies war der letzte Beweis dafür, dass diese Gewächse hier und jene beim Wolkenhort den gleichen Ursprung hatten.
Was Mythor dann sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Wo die Flüssigkeit auf die Yarl-Straße gespritzt war, brach die Erde auf, und ein halbes Dutzend Schlangenpflanzen schnellten in die Höhe. Vor den Augen der entsetzten Gefährten wuchsen sie aus der verbrannten Erde.
Nichts hielt die Freunde mehr an diesem Ort. Nur Mythor beugte sich noch einmal von Pandor hinab und kratzte mit der Spitze Altons den hier weichen Boden auf.
Violett schimmerndes Geflecht durchzog die Erde.
Und so ist es vielleicht überall, dachte Mythor verbittert. Es bedurfte nur der Befehle aus der Schattenzone, um die Dämonenpflanzen an jeder beliebigen Stelle aus dem Boden springen zu lassen.
Mythor beeilte sich, zu den Freunden aufzuschließen.
*
Kurz vor Sonnenuntergang sahen sie die Karawane.
Sie hatten unangefochten ein gutes Stück zwischen sich und die Yarl-Straße bringen können und eine Rast gemacht, um die Pferde abzureiben und Buruna sich um Lamir kümmern zu lassen. Keine einzige der fremden Pflanzen hatten sie mehr zu Gesicht bekommen.
Es stand schlecht um den Barden, sehr schlecht. Nur hin und wieder noch hatte Lamir wache Augenblicke, in denen er die Freunde erkannte. Das Fieber rüttelte an ihm, und der Schmerz fraß sich durch seinen Körper.
Dies war letztlich ausschlaggebend dafür, dass Mythor beschloss, die Karawane nicht zu umreiten, sondern dort um Hilfe für Lamir zu bitten. Falls - und das konnte als sicher angenommen werden - es sich um Flüchtlinge handelte, würden sie als Gegenleistung den Schutz von ein paar guten Klingen zu schätzen wissen, hier, wo sie Fremde waren.
Ein wenig überrascht war Mythor darüber, dass der Helm der Gerechten ihm nun eine neue Richtung wies - nach Südwesten.
»Dort liegt der Stadtstaat Leone«, hatte Gapolo auf eine entsprechende Frage erklärt. »Die sogenannte Insel des Löwen.« Mehr konnte oder wollte er dazu nicht sagen.
Immer mehr bemächtigte sich seiner eine finstere, grüblerische Stimmung, und Mythor nahm sich vor, in der kommenden Nacht besonders gut auf den Freund zu achten. Bisher hatten ihn die Schrecken der Straße des Bösen kaum zu Atem kommen lassen. Zwar hatte er den Tod im Kampf gesucht, aber nun befürchtete Mythor, dass er wieder auf den Gedanken kommen könnte, selbst Hand an sich zu legen.
Mythor wusste kaum mehr über Leone, als dass deren Bewohner tausend Mann in die Schlacht gegen die Caer geschickt hatten.
Die Karawane war zum Stehen gekommen. Offensichtlich bereitete man sich dort auf die Übernachtung im fremden Land vor. Das Gelände ringsum war leicht hügelig und grasbewachsen. Nur hier und da standen kahle Bäume und verdorrte Büsche. Die Sicht reichte fast bis zum Horizont. Weit und breit war nichts von einer menschlichen Ansiedlung zu sehen.
Es war umso kälter geworden, je weiter sich die Gefährten von der Straße des Bösen entfernt hatten, und nun war die Temperatur fast bis auf den Gefrierpunkt abgesunken. Aber der Himmel blieb klar, und kein Schnee war zu erwarten.
Mythor, Buruna und Gapolo mit
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