Die Strasse des Horus
und für Aahmes-nofretari…« Sie hob beredt die Schultern. »Höchst bedauerlicherweise hat deine Gemahlin die Fassung verloren. Ich liebe sie, aber es hat ihr immer an Lebenskraft gefehlt. Als Mädchen konnte man sie leicht erschrecken, und die Kleine braucht jetzt die Fürsorge einer starken, ruhigen Frau. Die Amme war in dieser Hinsicht vorbildlich, aber Aahmes-nofretari hat sie fortgeschickt.« Ahmose reckte sich und blickte sie an, bemühte sich um Beherrschung. Ihre Zunge war mit dem Alter noch schärfer geworden, doch er sagte sich, sie liebt Aahmes-nofretari wirklich, auch wenn ihre Vorstellung von einer Königin fast völlig aus den Erinnerungen besteht, an denen sie hängt.
»Man hat mich nicht gezwungen, nach Hause zu kommen«, sagte er ruhig. »Ich bin gekommen, weil ich meine Tochter sehen wollte, bevor sie stirbt, und meiner Frau helfen will. Es hat schon viele Frauen gegeben, die unter einer solchen Belastung zerbrochen sind, mit Ausnahme natürlich von dir, Tetischeri. Dich kann nichts brechen.« Der unterschwellige Spott war ihr nicht entgangen, doch sie biss nicht an. Stattdessen sagte sie unerwartet: »Der Mord an Kamose hat mich zerbrochen. Der Tod deines Vaters in der Schlacht hat mich fast zerbrochen. Ich rede zuweilen grausam, Ahmose. Verzeih mir. Es ist nur so enttäuschend…« Ihre Stimme erstarb, und er wandte sich erleichtert seiner Mutter zu.
»Danke für den Brief«, sagte er schlicht. Sie lächelte.
»Ich wusste, dass du kommst«, antwortete sie. »Wir haben eine schreckliche Zeit hinter uns, Ahmose. Sie wollte mir die Zügel der Regierung nicht überlassen, weil du ihr die Verwaltung des Landes anvertraut hattest. Eine Sache des Stolzes. Aber wenn du noch länger gezögert hättest, sie wäre, glaube ich, völlig zerbrochen. Ich konnte ihr leider keine Befehle erteilen.« Sie deutete auf den Granatapfelwein und das Schatbrot auf dem Tisch. »Und jetzt setze dich und erzähle uns von Tani«, forderte sie ihn auf. »Dein Bericht hat wenig ausgesagt, aber viel angedeutet.«
Ahmose sank der Mut. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde, doch er scheute davor zurück. Er neigte den Becher mit der leuchtend roten Flüssigkeit und trank einen Schluck von dem duftenden Getränk, ehe er sich zögernd auf einen Stuhl setzte. Obwohl er sich verzweifelt bemühte, fand er keinen Ausweg, wie er den Schlag für Aahotep mildern könnte, fand keine Notlügen, die Balsam auf die bereits blutende Wunde gewesen wären. Und so berichtete er in schlichten Worten und ohne Ausschmückungen von Tanis Weigerung, ihm zu sagen, wo Apophis hingegangen war, von ihrer Weigerung, im Schiff nach Waset zurückzukehren, von ihrem hartnäckigen Wunsch, Scharuhen zu betreten und bei ihrem Mann zu bleiben. Von der nur allzu realistischen Einschätzung ihres Empfangs durch die Frauen ihrer Familie erzählte er jedoch nichts.
»Der Mensch, den du beschreibst, ist nirgendwo mehr das junge Mädchen, das so tapfer mit Apophis fortgegangen ist«, knurrte Tetischeri. »Sie hat es zugelassen, dass die Setius ihren Willen zerstört haben. Den Göttern sei Dank, dass ihr Vater ihren Verrat nicht mehr erleben musste! Er würde sie ausgepeitscht und an die Kabinenwand gefesselt nach Waset zurückgebracht haben! Wir wollen nie wieder von ihr reden. Und jetzt erzähle uns von Scharuhen und der Belagerung. Das ist doch viel interessanter.« So polterte sie mit ihrer krächzenden Altfrauenstimme, doch Ahmose sah, wie sie ihre Hände rasch in den Falten ihres Hemdkleides versteckte, damit man ihr Zittern nicht sah, und da tat sie ihm Leid. Hastig berichtete er von Apophis’ Entkommen, vom Niederbrennen des Palastes, wie Abana die Setius gefangen und wie er sie gezwungen hatte, Apophis’ Ziel zu verraten. »Ha!«, krähte sie da. »Jetzt haben wir ihn, diese Sutech-Brut! Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dann fällt Scharuhen, und du kannst ihm den Kopf abschlagen! Gut gemacht, Majestät!« Er verdarb ihr die Freude nicht, sagte nichts davon, wie uneinnehmbar Scharuhen war, sondern leerte seinen Becher, stand auf und verneigte sich vor beiden.
»Abgesehen von den morgendlichen Audienzen werde ich mich in Aahmes-nofretaris Gemächern aufhalten«, sagte er. »Kümmert euch bitte beide um Pa-sche und Ahmose-onch. Reißt er noch immer aus und spielt in den Lehmgruben der Ziegelsteinformer?«
»Die Ziegelsteinformer sind fort, Ahmose«, sagte Tetischeri. »Der alte Palast braucht nur noch weiße Farbe und Ausmalung. Sogar die
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