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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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eine Weilchen, waren seelisch vollkommen erschöpft, und sie zog Stärke und Trost aus der Wärme seines Leibes, er forschte nach den Grenzen dieser sonderbaren, neuen Leidenschaft und fand keine. Seine Augen wichen nicht vom Gesicht der Kleinen. Er erblickte Aahmes-nofretari in ihrer Kinnlinie, und sie verzog den Mund wie Seqenenre. Es gab ihm einen Stich, als er sah, dass ihre Ohren wie seine geformt waren. Doch was ihn am meisten betrübte, war ihre blasse Haut, dieser Anflug von Grau, und die Tränenspuren auf ihren Schläfen. Wie gern hätte er seinen Mund auf ihren gelegt und ihr seinen eigenen, warmen Atem eingeblasen, hätte sie fest an sich gedrückt, damit der Lebenspuls, der unter seinen eigenen Rippen so stetig schlug, ihr Lebenskraft gäbe. Ich bin der König, dachte er in seiner Not. Ich bin der Sohn der Sonne, Amuns Inkarnation in Ägypten. Jeder grüne Weizenhalm auf den Feldern, jeder Ochse, der an seichten Stellen des Nils zur Tränke geht, jeder Bauer, Soldat oder Edelmann lebt nur, um mir zu gehorchen. Dennoch liegt es nicht in meiner Macht, dieser Kleinen zu befehlen, gesund zu werden.
    Schließlich bewegte sich Aahmes-nofretari. »Lege sie ins Körbchen zurück, Ahmose«, sagte sie dumpf. »Sie ist eingeschlafen.« Und mit einem Ruck ging Ahmose auf, dass sich die eingesunkenen Lider des Kindes geschlossen hatten. Behutsam stand er auf und legte es zärtlich hin.
    »Ich habe Uni gesagt, er soll uns Essen bringen«, sagte er. »Du wirst essen und trinken, und dann gehst du ins Badehaus, und Senehat wird dich waschen. Ich bleibe hier, bis du zurück bist.« Er sah ihre erstaunte Miene. »Ich muss mit dem königlichen Leibarzt und mit Mutter sprechen, aber danach komme ich wieder«, versicherte er ihr. »Ich lasse mir ein Feldbett hierher bringen. Diese schreckliche Wache halten wir gemeinsam, Aahmes-nofretari, und von nun an übernehme ich die Morgenaudienz.« Sie fing schon wieder an zu weinen, doch dieses Mal aus stiller Dankbarkeit.
    »Ich habe dich noch gar nicht nach Scharuhen gefragt«, fing sie an, doch er fiel ihr ins Wort.
    »Scharuhen ist dieser Tage ein Trugbild«, sagte er. »Ich sorge mich nur noch um dich und Sat-Kamose.«
    Es klopfte an der Tür, und Uni trat ein, gefolgt von Senehat und Hekayib. Duftender Dampf wölkte von den Tabletts hoch, die sie trugen. Dieses Mal war es Ahmose, der Aahmes-nofretari durch ihren Empfangsraum führte, sich neben sie an den Tisch setzte und ihr Wein einschenkte, während die Diener das Essen aufdeckten. »Da sieh mal, Liebste, frischer Salat, gewiss der erste«, sagte er. »Linsensuppe, die nach Koriander duftet, gebratenes Rindfleisch mit Pfefferkörnern und warmes Gerstenbrot mit Sesamkörnern. Davon dürfen wir auch nicht einen Bissen vergeuden!« Er schob ihr die Teller zu und entließ dabei Uni. Die Tür fiel zu, und er zog sich einen Stuhl neben ihren. »Iss, Majestät, ich befehle es«, sagte er streng, »sonst lasse ich dich in Kamoses Gefängnis werfen.« Sie belohnte seine Mühe mit einem matten Lächeln und nahm sich zu seiner Erleichterung einen dünnen grünen Stängel Frühlingszwiebel und wickelte ihn um den Finger, ehe sie ein Stückchen davon abbiss.
    »Danke, Ahmose«, murmelte sie. »Heute bin ich, glaube ich, ein wenig hungrig. Holst du Sat-Kamose, wenn sie aufwacht?« Er nickte. Doch ehe sie ihr Mahl beenden konnte, kam ein schwacher Schrei aus dem Kinderzimmer. Er bedeutete ihr zu bleiben, stand auf und ging zu seiner Tochter. Das fühlte sich an, als ginge er zu seiner eigenen Hinrichtung.
    Als Aahmes-nofretari aus dem Badehaus zurückkam, ging Ahmose in das Arbeitszimmer seines Vaters. Sowohl Achtoi als auch Ipi und Uni standen draußen vor Aahmes-nofretaris Tür, und Ahmose schickte seinen Haushofmeister zum königlichen Leibarzt und Ipi zu Aahotep, dass er ihr meldete, er würde sie demnächst in ihren Gemächern aufsuchen. In dem Raum, der für ihn noch immer Seqenenres war, wurde er ruhiger. Etwas von der Gelassenheit seines Vaters war zurückgeblieben. Du hast niemals verstört oder aufgeregt gewirkt, Osiris, sagte er im Geist zu ihm. Immer bist du in deiner Rede die Ruhe selbst und in deiner Haltung die Würde selbst gewesen, sogar noch als du nach Mersus Angriff behindert und gelähmt warst. Was du auch an innerem Aufruhr erdulden musstest, nie hat man es dir angemerkt. Möge Amun mir die gleiche Würde und Beherrschung und den Mut schenken, die Verzweiflung meiner Frau und meinen eigenen Kummer hinzunehmen, während

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