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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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glatter Bruch. Knochensplitter haben sich durch die Haut gebohrt. Er hat so geschrien. Ach, Ahmose, es war grässlich. Er hat immer noch geschrien, als er ins Haus zurückgetragen und auf sein Bett gelegt wurde. Sein Arzt hat versucht, den Knochen zu richten, und da ist er ohnmächtig geworden. Es war sinnlos. Das war vor drei Tagen. Dann hat sich Uchedu gebildet. Es hat nicht gereicht, dass wir sein Bein gewaschen und gesalbt haben. Es ist angeschwollen und eitert. Man darf ihn kaum noch berühren, ohne dass er vor Schmerzen schreit. Als ich ihn heute Morgen verlassen habe, war er schweißnass und hat gezittert, als wäre es Winter.« Auf ihrem Gesicht arbeitete es, dann liefen die Tränen. »Sein Arzt ist ein Dummkopf!«, schrie sie. »Er stirbt und das unter Schmerzen, wie du sie dir nicht vorstellen kannst! Bitte, Ahmose, gib mir Mohn!« Sie griff sich eine Serviette vom Tisch und hielt sie an die Augen. Ihre Schultern bebten, so heftig schluchzte sie.
    Ahmose sah ihr zu. Ihre Not ließ ihn nicht unberührt, doch er empfand auch reine Schadenfreude und musste lächeln. Er schämte sich zwar dafür, konnte aber nicht anders. Apophis lag im Sterben. Nicht der schnelle und einfache Tod durch einen Pfeil in die Brust oder ein Schwert durch den Hals, sondern langsam und wunderbar qualvoll. Diese Rache war besser als alles, was er sich hätte ausdenken können. Amun hatte gesehen, wie uneinnehmbar Scharuhen war. Er war in die Stadt gekommen und hatte Apophis niedergestreckt. Er hatte das Vertrauen und die Beharrlichkeit seiner Diener belohnt. Er hatte auf ihre Bitten reagiert und Tetischeri den Traum geschickt, damit sie Bescheid wussten. Durch diese göttliche Strafe hatte der Gott Ägypten für immer sein mächtiges Siegel aufgedrückt und endlich die Maat voll eingesetzt. Soll er doch leiden, dachte Ahmose heftig. Soll Amuns Hand ihn immer mehr drücken, bis er den bitteren Wein der Qual bis zur Neige ausgetrunken und sein Leben ausgehaucht hat.
    Doch dann stahl sich ein anderer Gedanke in den Tumult aus Feindseligkeit und finsterer Freude, und er tat einen Schritt auf seine Schwester zu. »Nein«, sagte er fest. »Ich gebe dir keinen Mohn. Es ist mir einerlei, ob Apophis unter Qualen oder ohne Bewusstsein durch ein Rauschmittel stirbt, Hauptsache, er stirbt. Wenn du ihn jedoch zusammen mit dem Horusthron und den königlichen Insignien herschaffst, bekommt er so viel Mohn, wie er braucht.« Ihr Kopf fuhr hoch. Er sah, wie die Farbe aus ihren Wangen wich und sie unter ihrer zart gebräunten Haut aschfahl wurde.
    »Ahmose«, sagte sie erstickt. »Hast du denn gar kein Herz?«
    »Nein. Das ist der Mann, in dessen Namen unser Vater zum Krüppel gemacht, dessentwegen Kamose ermordet wurde«, sagte er hart. »Das ist der Mann, der Aahmes-nofretari mit einem gemeinen Mann verheiraten, Großmutter in einen Harem für alte Frauen schicken und Kamose für immer in der Grenzfestung Sile stationieren wollte. Mich hatte er dazu verurteilt, den Rest meiner Tage in Kusch unter Teti-en zu dienen und gegen Stämme zu kämpfen, die sich ihm nicht unterwerfen wollten. Falls Kamose nicht all seinen Mut zusammengerafft und mit dem Aufstand begonnen hätte, unsere Familie wäre nicht nur zerstreut, sondern auch völlig gedemütigt worden.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Und das ist der Mann, für den du bittest. Nein. So weit geht mein Mitleid nicht. Du hast die Wahl. Geh mit leeren Händen zurück oder bringe ihn mit den heiligen Gegenständen heraus, die er gestohlen hat. Wie weit geht dein Mitleid?« Sie warf die nasse Serviette fort und sprang auf. Sie wurde zwar noch von gelegentlichen Schluchzern geschüttelt, doch sie hatte sich wieder gefasst.
    »Ich bin nicht zum Feilschen gekommen!«, sagte sie empört. »Ich bin gekommen, weil ich an brüderliches Erbarmen geglaubt habe. Doch mein Bruder hat einen Dämon anstelle eines Herzens!«
    »Glaube, was du willst«, entgegnete Ahmose kalt. »Apophis ist mir einerlei und du mehr oder weniger auch.«
    »Du wirst ihn umbringen, sowie er kommt!«
    »Sei nicht albern. Er liegt bereits im Sterben, es sei denn, du lügst. Du hast mein Wort, dass sich mein Arzt um ihn kümmert, falls er meinen Thron und meine Krone mitbringt. Was wirst du jetzt tun?« Sie stolperte zur Zeltklappe.
    »Du bist unvorstellbar grausam geworden, Starker Stier der Maat«, flüsterte sie erstickt. »Du hast mich ins Herz getroffen. Natürlich bringe ich ihn heraus. Nur der abgebrühteste

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