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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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wie ein Paar Statuen, die weder atmen noch zwinkern. Vermutlich dämpfen die Steinmauern alle Geräusche, insbesondere wenn die Tore geschlossen sind, aber ich werde das Trugbild nicht los, dass Scharuhen voll lebloser Gestalten ist.
    Drei Tage lang stand er früh auf, ließ sich so nahe wie möglich an die Stadt heranfahren, wie es seine Sicherheit gerade noch zuließ, und verbrachte den Morgen unter einem Sonnensegel, den Blick auf das Südtor gerichtet. Er hatte nichts zu tun. Bei der Nachricht, dass die Belagerung aufgehoben würde, war eine Welle freudiger Erregung durch das Lager gelaufen, doch Ahmose erinnerte sich an die höhnische Überheblichkeit des Mannes, der von der Mauer herab mit ihm gesprochen und ihm seinen Namen nicht genannt hatte, und er bedauerte diesen Rückzug teilweise. Den hätte ich gern gedemütigt, dachte er. Schließlich ist er lediglich der Herrscher einer einzigen Stadt, oder? Dennoch muss ich, der König von Ägypten, mich wie ein geprügelter Hund vor seiner hochnäsigen Missachtung davonschleichen.
    Doch als er am vierten Tag zusammengesunken im mageren Schutz des Sonnensegels saß, sah er plötzlich einen Mann oben auf der Mauer auftauchen. Anchmahor stieß einen Schrei aus, der von den um ihn gescharten Getreuen aufgenommen wurde. Ahmose schoss hoch, und jäh fiel ihm der Traum seiner Großmutter und sein Versprechen wieder ein, sieben Tage lang vor Scharuhen auszuharren. Erregung packte ihn. Der Mann hob ein Horn an den Mund und stieß hinein. »Ägypter!«, rief er. »Königin Tautha erbittet eine Audienz bei ihrem Bruder! Lasst sie ungehindert zu ihm!«
    Hundert Gedanken zugleich schossen Ahmose durch den Kopf, doch einer gewann die Oberhand. Sie machen das Tor auf und lassen sie heraus, wir könnten uns auf sie stürzen, aber nein, es bleibt keine Zeit, einen Sturm anzubefehlen, oder sollten ich und die Getreuen den Versuch machen? Der Mann hatte nicht auf eine Antwort gewartet. Er war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Und da ging das Tor auch schon langsam auf, und eine kleine Gestalt trat heraus. Es war Tani, ohne Begleitung, eine Frau ganz allein, die durch die heiße Wüste auf ihn zukam. Die Quasten an ihrem Gewand wehten im Wind, er zupfte Strähnen aus ihrem geflochtenen Haar, die ihr um den Hals flatterten.
    »Mesehti, den Streitwagen!«, rief Ahmose. Auch die Getreuen sahen Tani näher kommen und hatten die Hand am Schwertgriff. Glauben sie etwa, dass sie sich mit einem Dolch auf mich stürzt?, dachte Ahmose albernerweise. Dann stand sie auch schon vor ihm, blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne und hob die Hände.
    »Ich habe keine Waffe dabei«, sage sie mit einer Spur Hohn in der Stimme zu Anchmahor. »Sei gegrüßt, Ahmose. Ich muss dich sofort und unter vier Augen sprechen. Darf ich?« Statt einer Antwort zeigte er auf den Streitwagen. Sie stieg ein, und er folgte ihr. Mesehti schnalzte, und sie fuhren zu Ahmoses Zelt. Ahmose hatte noch kein Wort gesagt.
    Drinnen entließ er Achtoi, drehte sich um und sah sie an. »Überbringst du mir die Übergabe von Scharuhen?«, erkundigte er sich ohne große Hoffnung. Sie lachte erschrocken auf.
    »Nein, natürlich nicht!«, sagte sie scharf und dann sanfter: »Es tut gut, dich wieder zu sehen, Ahmose.« Er mochte nicht auf ihren liebevollen Ton eingehen.
    »Was willst du?«, fragte er grob. »Hast du genug von dem Setiu? Willst du mich bitten, dass ich dich heimschicke? Das tue ich gern, Tani.« Sie biss sich auf die Lippen und wandte den Blick ab.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie leise. »Mein Gemahl ist sehr krank. Er braucht Mohnsaft gegen seine Schmerzen, doch in der Stadt gibt es keinen. Scharuhens Vorrat ist immer aus Keftiu gekommen, aber damit ist seit der Belagerung Schluss. Darf ich mich setzen?« Er nickte, und sie ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Ich weiß, dass du ihn hasst«, fuhr sie dringlich fort, »aber ich hoffe, dass du für einen Mitmenschen in großer Not Mitleid empfindest.«
    »Er ist krank«, wiederholte Ahmose erstaunt. »Apophis? Was hat er denn?«
    »Von dem Haus, in dem wir wohnen, führt eine steile Steintreppe zum Hauseingang«, sagte sie. »Die ist er hinuntergegangen und über etwas gestolpert, ein Steinchen, was weiß ich. Er ist gestürzt. Die Wachen unten haben ihn aufgefangen, aber da war es schon zu spät. Er hatte sich das Bein gebrochen.«
    »Ein gebrochenes Bein? Aber gewiss…«
    »Es ist an drei Stellen gebrochen«, platzte sie heraus. »Kein

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