Die Strasse des Horus
Umgebung völlig unwesentlich wurde.
Auf einmal war er hungrig und bat Achtoi, ihm zu essen zu bringen, und er war gerade fertig, als der Arzt angemeldet wurde, der einen schwachen, fauligen Geruch mit sich brachte. Der Mann verbeugte sich. »Der Patient ist ins Koma gefallen«, sagte er. »Er wird, glaube ich, nicht wieder aufwachen. Ich konnte ihm nicht helfen, Majestät. Es tut mir Leid.«
»Bleibe trotzdem bei ihm und halte Mohnsaft bereit, falls er wieder zu Bewusstsein kommt«, sagte Ahmose. »Ich habe Königin Tautha versprochen, dass man sich bis zu seinem Tod gut um ihn kümmert.« Der Arzt hörte die Frage hinter den Worten.
»Ich würde mich sehr wundern, wenn er bis Tagesanbruch durchhielte«, meinte er. »Er verwest, ehe sein Ka den Leib verlassen hat. Er sieht nicht gerade kräftig aus, hat aber einen starken Lebenswillen.«
»Seltsam angesichts dessen, was er alles verloren hat.« Ahmose verstummte. »Sei bedankt. Du bist entlassen. Schicke die Königin zu mir.«
Es dauerte ein Weilchen, bis Tani eingelassen wurde. Die Dämmerung senkte sich herab, und Hekayib hatte den Lampendocht gestutzt und angezündet, Ahmose Sandalen und Schurz ausgezogen und ihm in eine ärmellose Tunika geholfen, ehe er seinen Posten draußen einnahm. Ahmose sah sie kommen und verbarg seine Sorge um sie. Sie sah erschöpft aus, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, ihre Lippen waren blass. »Komm, setz dich«, sagte er. »Du brauchst Schlaf, Tani. Bist du hungrig? Lass mich dir Wein einschenken.« Sie suchte sich einen Stuhl, nahm ihm teilnahmslos den Becher ab und starrte in die Flüssigkeit, als wüsste sie nicht recht, was sie in der Hand hielt.
»Der Arzt hat mir gesagt, dass er morgen tot ist«, meinte sie tonlos. »Man hat ihn mir genommen, Ahmose. Ohne ihn bin ich völlig wurzellos. Für die Setius bin ich eine ägyptische Fremdländerin und für die Ägypter eine Frau, die ihr Geburtsrecht verraten hat. Er hat mich geliebt und beschützt. Was wird aus mir?« Er musterte sie von der Seite. In der Regel neigte sie nicht zu Selbstmitleid.
»Was möchtest du denn tun?«, fragte er vorsichtig. »Ich bin davon ausgegangen, dass du seinen Leichnam nach Scharuhen, zu seiner Familie bringst.«
»Ihn nach Scharuhen bringen?«, wiederholte sie, als ob er irre redete. »Aber, Ahmose, er muss ein richtiges königliches ägyptisches Begräbnis bekommen!«
»Ein was?« Er stellte den Becher so hart auf den Tisch, dass ihm Wein über die Hand schwappte. »Gesellt sich zu deiner Dummheit nun auch noch Gotteslästerung, Tani? Der Mann stammt nicht nur aus einer langen Reihe von Thronräubern, er ist obendrein Setiu. Ein Fremdländer. Sollen ihn seine eigenen Leute doch verbrennen oder ein Loch für ihn graben oder mit ihm tun, was immer die Einwohner von Rethennu mit ihren Toten tun. Was ist los mit dir? Hast du den Verstand verloren?« Er hatte gesprochen, als wäre Apophis bereits tot, und Tani presste die Lippen zusammen.
»Du hast gar keine andere Wahl«, sagte sie ruhig. »Wenn du ihm ein königliches Begräbnis verweigerst, können Zweifel an deiner eigenen Göttlichkeit aufkommen.«
»Wie das?« Er wischte sich die Finger nachdrücklich an seiner Tunika ab. Falls der Kummer ihren Verstand vergiftet hat, steht sie unter dem besonderen Schutz der Götter, dachte er. Als Irre ist ihre Person heilig, und ich kann sie mit nach Hause nehmen und dieser Posse ein Ende machen. Sie wird allen in Waset Leid tun, weil sie so lange unter Setius leben musste, dass es ihren Geist zerrüttet hat.
»Damit verhält es sich so«, fuhr sie fort. »Du bist der Abstammung nach der König, nicht wahr?« Er nickte. »Und ich bin eine echte königliche Prinzessin. Aber die weibliche Linie legitimiert den König, Ahmose, nicht die männliche. Du hast Aahmes-nofretari geheiratet, also eine echte königliche Prinzessin. Das musstest du, damit du zum Gott werden kannst. Apophis hat mich geheiratet. Das macht ihn zu einem echten ägyptischen König.« Wutentbrannt ballte er die Fäuste.
»Du wagst es zu behaupten, dass Apophis irgendein Recht auf den ägyptischen Thron hat!«, brüllte er. »Warte nur, bis Amun dich mit Stummheit schlägt! Bedeutet dir alles, was die Familie erdulden musste, denn gar nichts? Wann ist deine ägyptische Seele aus Scham geflohen und hat an ihrer Stelle ein Setiu-Ka zurückgelassen?«
»Bis er mich geheiratet hat, war er nicht König«, sagte sie laut, nachdrücklich und brachte damit den Erzürnten zum Verstummen.
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