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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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irgendwie ist Scharuhen selbst in den vergangenen Monaten kleiner geworden. Und dabei ist es größer, als ich dachte. Seine Mauern sind höher und gewaltiger, der Eindruck von Uneinnehmbarkeit stärker. Ich mache es richtig, wenn ich mir eingestehe, dass meiner Vergeltung Grenzen gesetzt sind. Ob meine Befehlshaber wohl damit einverstanden sind?
    Sie versammelten sich in dem langen Schatten, den sein Zelt warf. Der Spätnachmittag war heiß, daher nahmen sie das Wasser und das Bier, das Achtoi ihnen einschenkte, gern an. Ahmose musterte sie eingehend der Reihe nach, als sie eintrafen, ihm huldigten und ihren Platz am Tisch einnahmen, doch sie kamen ihm irgendwie bedrückt vor. Zwar freuten sie sich, ihn zu sehen, doch sie lachten und schwatzten nicht miteinander.
    Kagemni machte als Erster den Mund auf. Er hatte unter dem zerknautschten roten Leinenkopftuch die schweißbedeckte Stirn in Falten gelegt, und in den Furchen um seine lange Nase hatte sich Staub abgesetzt. »Wir haben keinerlei Nachrichten aus der Stadt, Majestät«, sagte er. »Gelegentlich, beinahe oberflächlich beobachtet man uns von der Mauer, aber sonst übersieht man uns. Wir brauchen mehr Wasser. Im Sommer ist es hier sehr heiß, und der Wind hat von West, vom Meer, auf Nord gedreht, wirbelt Sand auf und macht die Soldaten gereizt. Sie können sich nicht waschen, und das verstärkt ihren Unwillen.«
    »Wir haben damit begonnen, sie in Schichten zum Meer zu schicken«, warf Achethotep ein. »Dort können sie sich im Großen Grün tummeln und waschen, aber viele fürchten sich vor der Größe und Gewalt des Meeres. Nahrung ist jedoch kein Problem. General Hor-Aha hat aus den Medjai Jäger gemacht. Die ziehen durch die Berge und schaffen viel Wild heran.«
    »Wir haben vermehrt Augenkrankheiten, Majestät«, hakte Baqet ein. »Die Ärzte lassen größere Mengen Salben aus dem Delta holen. Daran ist das Gleißen schuld, das der Sand ständig zurückwirft, und natürlich auch der Staub. Man kann sich nicht schützen, es gibt nichts Grünes.«
    »Die Medjai brauchen solchen Schutz nicht«, sagte Hor-Aha. »Sie sind zufrieden. Aber die anderen Soldaten beklagen sich Tag für Tag bei ihren Hauptleuten. Und dann ist es wohl auch die Zeit der Heuschrecken. Meine Stammesbrüder haben auf einem Streifen fruchtbarem Land am Fuß der Berge große Schwärme gesichtet. Sie haben keine Angst vor ihnen, aber man kann die schwarzen Wolken vom Lager aus sehen, und ihr Anblick löst bei den anderen Soldaten abergläubische Furcht aus. Die erblicken in ihnen das Vorzeichen einer Katastrophe.«
    Ahmose musterte seinen Freund. Von seinen Generälen schien nur er Spaß am Aufenthalt an diesem trockenen, gottverlassenen Ort zu haben. Sein Haar war nachgewachsen, hatte die ehemalige Länge erreicht und fiel ihm glänzend auf die breiten Schultern. Im Gegensatz zu den anderen schwitzte er nicht. Ahmose klopfte auf den Tisch. »Ich hatte bereits beschlossen, die Belagerung aufzuheben«, sagte er, »und alles, was ich von euch höre, bestätigt mich in meinem Entschluss. Wir müssen uns einfach eingestehen, dass wir ohne Blutvergießen besiegt worden sind, meine Generäle, und uns hinter die Fürstenmauer zurückziehen. Ich verliere dabei an Gesicht, aber meine Soldaten werden mich zweifellos preisen. Kein Ägypter ist gern zu lange fern der Heimat.« Niemand wandte etwas dagegen ein, und er deutete ihr Schweigen als Erleichterung. »Ich merke schon, ihr seid meiner Meinung«, fuhr er trocken fort. »Dann benachrichtigt also eure Hauptleute, dass wir in einer Woche aufbrechen. Die Neuverteilung der Divisionen teile ich euch später mit. Jetzt seid ihr eingeladen, bei mir zu speisen, und wir reden von anderen Dingen. Ich freue mich, dass ich wieder bei euch bin.«
    Nachdem sie gegangen waren, zögerte er, sein Zelt zu betreten. Das Licht schwand und mit ihm die Hitze, obwohl der Wind noch immer böig blies, ihm den Schurz an die Schenkel drückte und an den Enden seines Kopftuches zerrte. Begleitet von Anchmahor strebte er zur Festung. Ihre steinerne Unerbittlichkeit, ihre Ausstrahlung völliger Gleichmütigkeit zogen ihn an. Scharuhen war zu fest, zu wirklich für Trugbilder, dennoch hatte es etwas Traumartiges, das ihn quälte. Ich werde die Festung nie von innen sehen, dachte er. Irgendwo innerhalb dieser stummen Mauern speisen und schlafen Apophis und Tani, spazieren und reden, doch vor meinem inneren Auge stehen sie, während die Sonne auf-und untergeht, steif und reglos

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