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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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würde.
    Der Weg zum Tempel war dicht mit Soldaten gesäumt, die die Bevölkerung zurückdrängten. Ahmose konnte nichts sehen, doch er hörte die aufgeregten Mutmaßungen, als seine Sänfte vorbeikam. Er würde auf dem Horusthron sitzend zum Palast zurückkehren, Aahmes-nofretari neben sich und Ahmose-onch zu seinen Füßen, er selbst mit der Doppelkrone auf dem Haupt und reich gekleidet und so hoch getragen, dass seine Untertanen ihn sehen konnten, doch jetzt war er nackt bis auf ein Lendentuch und durfte sich nicht blicken lassen.
    Auch der Kanal, der zum Tempel führte, war schwer bewacht. Nur geladene Gäste durften Amuns Bezirk betreten, und Ahmose wurde von majestätischem Schweigen begrüßt, das ihn umfing, als er die Sänfte verließ, die Getreuen nach innen wies, dass sie ihre Posten einnahmen, und allein zum heiligen See ging. Zwei Priester erwarteten ihn. Sie nahmen ihm das Lendentuch ab und geleiteten ihn ins Wasser, tauchten ihn unter und schrubbten ihn gründlich mit Natron. Dabei sagten sie kein Wort, und er schwieg seinerseits. Langsam übertrug sich die Feierlichkeit des Anlasses auch auf ihn, und ernst gestimmt überließ er sich ihren Waschungen.
    Mit schlichten Binsensandalen an den Füßen führte man ihn in ein Vorzimmer und rasierte ihn unter dem gleichen ehrerbietigen Schweigen gründlich von Kopf bis Fuß. Erst jetzt stellte sich Amunmose ein. Er war in seine volle Amtstracht gekleidet: ein weißes Gewand aus Leinen zwölften Grades, mit Gold gesäumt und so hauchdünn, dass die Falten beim Atmen bebten, ein weißes Band um den Kopf, das Leopardenfell über einer Schulter und den Amtsstab mit der goldenen Spitze in der Hand. Ein Tempeldiener begleitete ihn. Amunmose reichte dem Jungen den Stab, legte Ahmose ein frisches Lendentuch um, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in den Innenhof.
    Dort warteten sein gesamter Adel, Generäle, Höflinge und fremdländische Gesandte, ein Meer aus funkelndem Geschmeide, duftendem Leinen und mit Kohl umrandeten, erwartungsvollen Augen, das alles konnte er durch den lieblichen Nebel Dutzender rauchender Weihrauchgefäße ausmachen. Sein erster Blick galt seiner Familie. Tetischeri und Aahotep saßen vor der gegenüberliegenden Mauer. Seine Großmutter wirkte in ihrem langen Hemdkleid mit Silberblättern und dem silbern bestickten Umhang, das Haar unter einer silbernen Haube versteckt, deren Enden auf ihre mageren Schultern stießen, wie eine Statue. Aahotep hatte dunkelrotes Leinen gewählt, das über und über mit Goldtropfen bestickt war. Über ihrem geschminkten Gesicht erhob sich der goldene Schössling, Symbol der Göttin Neith, wie eine richtige Krone. Schwere Ringe funkelten an ihren gefalteten Händen, und Anchs zierten Handgelenke und Hals. Tetischeri starrte geradeaus, war offensichtlich von der ungeheuerlichen Würde dieses Augenblicks gefesselt, doch seine Mutter lächelte ihm kurz zu, und ihre dunklen Augen blitzten.
    Ahmose wandte sich zum Allerheiligsten. Dessen Türen standen offen, und drinnen thronte Amun unter Blumengirlanden. Lampenschein glitt wie sanftes Öl über die gekräuselten beiden Federn und die goldenen Rundungen seines Leibes. Andere Götter standen neben ihm: der falkenköpfige Re mit seinem scharfen Schnabel und den schwarzen Knopfaugen, die Geiergöttin Nechbet des Südens und Wadjet, die Kobragöttin des Nordens, die ihre Brillenzeichnung spreizte, die Giftzähne entblößte und bereit war, jeden mit Gift zu bespritzen, der sich dem König näherte.
    Unmittelbar vor dem Allerheiligsten stand der Horusthron, und daneben thronte Aahmes-nofretari, ihr Hemdkleid funkelte von Gold, ein Pektoral aus Gold, an dem Skarabäen aus Lapislazuli hingen, bedeckte ihre Brust, auf dem Kopf trug sie die Flügel und den gereckten Kopf von Mut, der Gemahlin Amuns und Beschützerin der Königinnen. Muts Klauen zu beiden Seiten von Aahmes-nofretaris geschminkten Wangen umklammerten das Sehen-Zeichen, das Unendlichkeit, Ewigkeit und Schutz bedeutete. Ahmose-onch saß zu ihren Füßen auf einem niedrigen Schemel. Seine Jugendlocke war mit einem Goldband umwickelt, auf das winzige goldene Lotosblumen und Papyri genäht waren, und ein einziges Horusauge lag auf seinen zarten Rippen. Ahmose hatte ihm dazu passende goldene Armbänder geschenkt, Kopien in Kleinformat der silbernen Armreife seiner Generäle; darauf standen sein Name und sein Rang als Falke-im-Nest, und er war so völlig hingerissen, dass er sie wieder und wieder stolz ums

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