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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Amun-Division als Wachen auf den Straßen einzusetzen, denn es gab Schlägereien um Nahrung und Platz: ob in den schmalen Gassen Esel vor Sänften kamen und warum sich die einheimischen Budenbesitzer die besten Standplätze aussuchen durften, wo sie dann ihre Waren längs des königlichen Zuges feilbieten würden.
    Ahmose war kurz vor Tagesanbruch aufgewacht, und zum ersten Mal seit der Ausbesserung des alten Palastes war er auf der Treppe, die er hatte abschließen und versiegeln lassen, aufs Dach gestiegen. Das Wachs auf der Schnur der unteren Tür brach leicht, und als er die Tür aufzog und den Fuß auf die unterste Stufe setzte, fiel ihm auf, dass es modrig und abgestanden roch, weil sie nicht mehr benutzt wurde. Er wusste, dass sein Vater und sein Bruder gerade an diesem Ort bei ihm waren, und er rief sie beim Hinaufsteigen leise an, bat sie um ihre Gegenwart im Tempel, bat um ihre Gebete und ihren Segen für diesen bedeutsamen Tag. Die obere Tür war von innen versiegelt. Wieder zerbröselte er das Wachs, auf das sein Name geprägt war, und trat endlich ins Freie, befand sich über den Gemächern, in denen seine Frauen noch tief und fest schliefen.
    Der Windfang, an den sich sein Vater gelehnt hatte, war gesäubert worden und ließ jetzt wieder den vorherrschenden Sommerwind in den Palast ein, daher musste sich Ahmose mit dem Gesicht nach Osten setzen. Der Himmel färbte sich ein wenig rosig. Re schickte sich an, aus dem Mund von Nut geboren zu werden. Er zog die Knie an und wartete. Diese wenigen kostbaren Augenblicke hatte er im Gedenken an seine teuren Toten verbringen, hatte über die Reise nachdenken wollen, die sie zusammen begonnen hatten und die nur er hatte beenden dürfen, hatte über die Zeremonie nachsinnen wollen, die ihn ermächtigen würde, die wahre Inkarnation seines Gottes zu werden, doch als er sich setzte, ergriff ihn allmählich eine so tiefe Freude, dass es ihm nicht möglich war, sich innerlich zu versenken.
    Der rosige Streifen am Horizont wurde breiter, leuchtender, und vor dem gelben Schein darunter zeichnete sich schwarz die Wüste ab. Ein Wind kam auf. Unten in den Gärten, die den Palast mittlerweile umgaben, zwitscherte ein Vogel. Andere fielen ein, und schon bald vermischte sich der Gesang mit dem stetigen gedämpften Plätschern des Wassers, das aus Springbrunnen in Steinbecken fiel. Im Osten schimmerte ein feuriger Rand, flackerte, Lichtstrahlen kamen auf Ahmose zugeschossen und brachten eine Farbenvielfalt mit. Er schloss die Augen. Sohn des Re, Sohn des Morgens, dachte er. Das bin ich auch. Berühre mich mit deinen goldenen Fingern, Mächtiger. Ich werde in der Mitte der Maat gehalten, wohin ich gehöre. Es ist mein Schicksal, die Achse zu sein, um die sich das Rad von Ägyptens Gleichgewicht dreht.
    Er hatte gerade die schwache Flamme seiner Lampe ausgeblasen, als am Fuß der Treppe eine gedämpfte Stimme zu hören war. »Majestät, bist du dort oben? Es wird Zeit, in den Tempel zu gehen.« Ahmose stemmte sich hoch.
    »Achtoi, ich habe dich zum Fächerträger zur Linken ernannt«, rief er nach unten. »Mit derlei Diensten musst du dich nicht mehr befassen. Überlass sie dem Königlichen Haushofmeister Hekayib und seinen Helfern. Es sei denn, du findest, du hast sie nicht gut genug angelernt.«
    »Verzeihung, Majestät«, antwortete Achtoi, als Ahmose unten war und die Tür zudrückte. »Es ist eine alte und liebe Gewohnheit, die schwer abzulegen ist.«
    Gleich hinter den Säulen am Eingang warteten die Sänftenträger, Harchuf und die Getreuen des Königs. Ahmose begrüßte sie und setzte sich, als Hekayib hinter ihm hergelaufen kam. »Die Königin und der Falke-im-Nest werden angekleidet, Majestät«, keuchte er, »und die Fürsten haben bereits ihre Unterkunft verlassen.« Ahmose nickte.
    »Danke, Hekayib, aber mach dir keine Sorgen. Alles wartet, bis ich fort bin. Geh und iss etwas. Du siehst abgehetzt aus.« Die Träger zogen die Vorhänge zu und hoben ihn hoch. Er hörte, wie Harchuf den Wachen am Tor einen Befehl zubellte, und wurde hindurchgetragen. Er wagte einen raschen Blick zurück durch die Vorhänge, als die großen Tore aus Elektrum schwerfällig zufielen. Sie waren am Tag vor seiner Rückkehr aus Auaris angebracht worden. Er hatte sie feurig funkeln sehen, als sich sein Schiff Waset näherte, und stolzgeschwellt wusste er, dass er an der Bootstreppe aussteigen, zwischen ihnen hindurchgehen und sein neues Reich zum ersten Mal als dessen Bewohner betreten

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