Die Strasse des Horus
Gerichtsbarkeit ist an so genannte Ratgeber gegangen, die du ihnen zur Seite gestellt hast. Ich weiß, warum du so wachsam bist, und halte es für klug. Aber wenn ich Chemmenu und seine Nomarche neu ordnen soll, möchte ich das mit Haushofmeistern und Aufsehern tun, die ich selbst auswähle, nicht du. Entweder du traust mir oder nicht.« Das klang weder ärgerlich noch grollend. Ahmose nickte.
»Gut!«, sagte er munter. »Ich hatte auch nicht die Absicht, dich bespitzeln zu lassen, Ramose. Du kannst die Nomarche ungehindert verwalten.« Ramose stieß einen lauten Seufzer aus, so erleichtert war er.
»Danke für dein Vertrauen, Ahmose«, sagte er. »Ich möchte es erwidern. Wenn du es mir nicht ausdrücklich befiehlst, werde ich mein Amt erst nach Kriegsende antreten. Ich möchte an deiner Seite bleiben.« Ahmose kniff die Augen zusammen.
»Du hoffst immer noch, dass Apophis stirbt und du Tani wieder in die Arme schließen kannst, ja?«, bemerkte er leise. Ramoses Mund wurde zum Strich. Entweder bist du verrückt oder ein Heiliger, lieber Ramose, dachte Ahmose. Wie auch immer, du bist der störrischste Mensch, den ich meiner Lebtage gesehen habe. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass Tani solch eine erschreckende, unbedingte Ergebenheit gar nicht mehr verdient?
Das war vor zwei Tagen gewesen, und jetzt saß Ramose zusammen mit Turi, Hor-Aha, Kagemni, Baqet und den anderen Generälen an einem großen Tisch im Schatten eines Sonnensegels, nur einen Steinwurf vom Nil entfernt. Hinter ihnen und rings um sie kamen die Divisionen stetig nach Het nefer Apu hineingeströmt, wo Heeresschreiber die Männer in ihre Unterkünfte einwiesen. Vor ihnen, auf dem Fluss selbst, warfen die Schiffe helle, verschlungene Schatten auf das schlaffe Ufergebüsch. Die Mittagshitze war drückend. »Morgen um diese Zeit haben wir volle Stärke erreicht«, sagte Turi gerade. »Die letzten Abteilungen treffen ein. Die Proviantschreiber beklagen sich schon, dass die Spätankömmlinge so viel Bier trinken.«
»Dagegen kann man nichts machen«, sagte Ahmose knapp. »Marschieren macht heiß. Lassen wir sie Bier trinken, solange sie noch können. Wenn wir ins Delta aufbrechen, gibt es nur noch Wasser. Ich habe mir deinen Bericht hinsichtlich der Kampfbereitschaft der Bootstruppe angehört, Paheri, und ich bin zufrieden, dass du die Monate meiner Abwesenheit nicht untätig hast verstreichen lassen. Und jetzt, Abana, berichte, wie steht es im Delta.« Statt einer Antwort zeigte der ältere Mann auf seinen Sohn.
»Paheri und ich waren hier vollauf mit der Ausbildung der elftausend Bootsleute beschäftigt«, sagte er abbittend. »Ich wollte die Verantwortung für eine Aufgabe, die dein Bruder uns übertragen hatte, nicht jemandem anvertrauen, für den ich nicht gern verantwortlich wäre. Darum habe ich Kay nach Norden geschickt.«
»Meine Männer und ich haben die Reise dreimal gemacht, Majestät«, sagte der junge Mann prompt. »Zweimal, als die Überschwemmung auf dem Höhepunkt war. Natürlich ist mein Schiff haltbar, auf meine Bootsleute ist unbedingt Verlass, und die Nebenflüsse sind recht gut schiffbar. Wir sind auf dem östlichen Nebenfluss ins Delta eingedrungen, vorbei an den Ruinen von Nag-Ta-Hert, und haben ein gutes Stück entfernt von den Setiu-Festungen vertäut. Dann sind wir um Auaris herumgefahren, haben unsere kleinen Boote über die Kanäle gestakt und konnten tatsächlich die Horusstraße erreichen.«
Ahmose hörte innerlich belustigt und sehr verwundert zu. Kay sprach ungezwungen, fast unbeschwert über eine Unternehmung, die ihm und seiner Mannschaft das Äußerste abverlangt haben musste. Doch da saß er, ein Abbild selbstbewussten Zutrauens. »Es hatte keinen Sinn, das westliche Delta auszukundschaften«, fuhr er abfällig fort. »Auaris liegt direkt am Ostufer des größten Nil-Nebenarms, und zwischen ihm und dem westlichen Nebenarm ist das Hochwasser ungefährlich. Es gibt Obsthaine und Weingärten und Viehweiden und hinter dem westlichen Fluss natürlich Sümpfe und dann die Wüste. Osiris Kamose hat das alles vor zwei Jahren verwüstet, weil er den Setius den Nachschub wegnehmen wollte. Ich habe mir gedacht, du interessierst dich mehr für das Treiben auf der Horusstraße, Majestät.«
Kay Abana, du hast dich verändert, dachte Ahmose. Deine kesse Rede ist keine Aufschneiderei mehr. Du bist ein beflissener junger Angeber gewesen, aber mittlerweile mäßigt die Klugheit der nahenden Mannesjahre dein überbordendes
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