Die Straße nach Eden - The Other Eden
alten Geschichten herumzustochern.«
»Wie kannst du so etwas sagen?«, entrüstete ich mich. »Wäre es dir wirklich lieber, ich hätte nie die Wahrheit über meine Familie herausgefunden?«
»Du weißt genau, dass ich nicht von deiner Familie gesprochen habe«, entgegnete er müde.
»Das kommt auf dasselbe hinaus.«
Alexander fasste mich bei den Schultern. Unter seinen
Augen lagen dunkle Schatten, und ich fragte mich, wieso mir nicht schon früher aufgefallen war, wie erschöpft er war.
»Bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, dass Dorians Interesse an deiner Person überhaupt nichts mit deiner Familie zu tun haben könnte?«
»Wie meinst du das?«
»Eleanor, ich habe dir erzählt, was zwischen mir und diesem Mann vorgefallen ist. Hast du nie überlegt, ob er dich nicht einfach nur benutzt, um über dich an mich heranzukommen? Und die Zwillinge als Köder vor deiner Nase baumeln lässt, weil er weiß, dass du diesem Köder nicht widerstehen kannst?«
»Warum sollte er so viel daransetzen, dir Leid zuzufügen? Gibt es da vielleicht etwas, was du mir verschwiegen hast?«
Alexander senkte den Kopf. Eine Weile standen wir uns schweigend gegenüber; lange genug, dass mein Zorn verrauchte und tiefer Niedergeschlagenheit Platz machte.
»Ich möchte nach Hause«, bat ich endlich.
Ich dachte, er würde versuchen, mich umzustimmen, aber er nickte nur. »Gut. Ich bringe dich heim.«
Es ärgerte mich, dass er so schnell nachgab, so wie es mich früher immer geärgert hatte, wenn ich wutentbrannt aus einem Zimmer gestürmt und mein Großvater mir nicht gefolgt war. Aber jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als mich zur Tür durchzudrängeln und die neugierigen Blicke zu ignorieren, die mich trafen.
Mary stand mit einer Gruppe von Leuten, die ihre Dekorationen bewunderten, direkt vor dem Ballsaal. Sie lächelte, als sie mich sah. »Eleanor, alle haben nach dir gefragt. Du musst unbedingt…«
»Ich fühle mich nicht wohl«, unterbrach ich sie. »Alexander bringt mich nach Hause.«
Marys Lächeln verblasste. »Nicht schon wieder.«
Ich seufzte. »Ich fürchte doch.«
»Ich habe es ja gleich gewusst. Es ist viel zu heiß, um ein Korsett zu tragen, wenn man nicht daran gewöhnt ist.«
»Daran wird es wohl liegen«, stimmte ich zu.
»Und was ist mit der Bekanntgabe deiner…«
»Dafür wird sich eine andere Gelegenheit finden«, schnitt ich ihr das Wort ab. »Aber jetzt müssen wir wirklich gehen.«
»Kommt Alexander denn wieder zurück? Ich habe Dorian gerade aufbrechen sehen, und ich könnte Hilfe brauchen.«
Alexander und ich wechselten einen verwirrten Blick. »Wenn Eleanor nichts dagegen hat«, antwortete er endlich.
Natürlich hatte ich etwas dagegen, aber ich wollte Mary nicht merken lassen, wie durcheinander ich war, also nickte ich. »Kein Problem. Colette und Tascha sind ja da.«
»Gut, dann verabschieden wir uns jetzt.« Alexander nahm meinen Arm, und ich ließ mich zur Tür führen, dabei bemühte ich mich, das quälende Gefühl drohenden Unheils niederzukämpfen, das sich wieder einmal meiner bemächtigt hatte.
5. Kapitel
W ährend der gesamten Rückfahrt fiel kein Wort zwischen uns. Ich wusste, dass Alexander noch immer wütend und ich nicht ganz unschuldig daran war. Ein Teil von mir hätte sich gern bei ihm entschuldigt, aber mein Stolz war stärker.
Doch als wir das Haus erreichten und Jean-Pierre mir die Tür öffnete, hielt mir Alexander mit seinem alten liebevollen Lächeln eine Hand hin. »Frieden?«, fragte er.
Ich schlang ihm die Arme um den Hals. »Es tut mir leid.«
»Mir auch«, erwiderte er.
Alle Mädchen halfen auf dem Ball aus, daher war das Haus dunkel und still, als wir es betraten. Alexander begleitete mich nach oben, und nachdem wir nach Tascha gesehen hatten, befreite er mich von meinem einengenden Kostüm, und ich kroch in mein Bett.
»Möchtest du noch irgendetwas? Ein Buch oder etwas zu trinken?«
»Eine Tasse Tee würde mir jetzt guttun.«
»Ich bin gleich wieder da.«
Nach ein paar Minuten kam er mit einem dampfenden Becher zurück. Ich nippte daran. Das Getränk schmeckte süß und fruchtig. Meine Überraschung entlockte Alexander ein Lächeln. »So trinken wir in Russland unseren Tee. Wir süßen ihn mit Marmelade statt mit Zucker.«
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. »Köstlich.«
»Ich dachte mir schon, dass er dir schmecken würde. Schlaf gut, Eleanor.«
»Kommst du nachher zurück?«
Er zögerte. »Ich weiß, wie müde du
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