Die Straße nach Eden - The Other Eden
unnatürliche Helligkeit fiel durch die Ritzen der äußeren Läden. Ich zerschmetterte die Fensterscheibe und das morsche Holz, hob Tascha hoch und kletterte mit ihr durch das gezackte Loch ins Freie.
Dort sah ich, dass ein Blitz eine der Eichen bei dem Turm gespalten hatte; eine Baumhälfte war gegen die Seite des Hauses gestürzt. Dieser Blitz musste das Feuer entfacht haben, das sich jetzt rasend schnell ausbreitete, sich durch das trockene Holz fraß und alles verschlang, was in seinem Weg stand. Ich konnte nichts anderes tun, als auf dem Gras auf die Knie zu sinken und hilflos schluchzend zuzusehen, wie die Flammen immer höher aufzüngelten.
Wie zur Antwort auf meine Tränen setzte der Regen, der den ganzen Abend in der Luft gelegen hatte, endlich ein, doch es war nicht der hierzulande übliche schwere Sturzregen, sondern ein feines blutwarmes Nieseln, das nicht die Kraft hatte, das Feuer zu löschen. Während ich wie gelähmt im Gras kauerte, kam Tascha so weit zu sich, dass sie die Arme um meinen Hals schlingen und das Gesicht an meiner Brust bergen konnte. Ich verharrte so, bis das Inferno auch hinter der letzten Fensterscheibe zu toben begann,
bis sich wenig später Colettes kräftige braune Hände unter meine Ellbogen schoben und mich auf die Füße zogen und eine schreckensbleiche Mary mir Tascha abnahm. Die beiden Frauen warfen einen Blick auf das brennende Haus und wandten sich dann wortlos ab. Sie hatten begriffen, was ich mich monatelang zu akzeptieren weigerte: Sie waren zu spät gekommen.
12. Kapitel
E s dauerte Jahre, bis Mary mir gestand, wie knapp ich innerhalb der nächsten zwei Wochen dem Tod entronnen war. Barmherzigerweise kann ich mich an diese Zeit kaum erinnern. Das erste klare Bild in meinem Gedächtnis zeigt einen strahlend blauen, von einem weißen Fensterrahmen eingefassten Himmel. Mein Blick wanderte nach unten, und ich stellte fest, dass ich in einem ebenfalls weißen Bett in einem weißen Raum lag. Desinfektionsmittel und Raumspray konnten den typischen Geruch nach Krankheit in der Luft nicht ganz überdecken. Doch mich berührte weder der Anblick der Schläuche, die sich von einem lungenähnlichen Beutel über mir in meine Arme wanden, noch das Mitleid in den Augen der jungen Schwester, die an meinem Bett saß und den Lauf der Flüssigkeit regulierte, die durch die Schläuche floss. Jeder Atemzug kostete mich unendliche Mühe, auf meinem Brustkorb schien ein zentnerschwerer Stein zu liegen. Meine Brust und meine Kehle schmerzten, trotzdem brachte ich ein heiseres Flüstern hervor. »Wo bin ich?«
Die Schwester lächelte mich an. »Im St.-Anastasius-Krankenhaus in New Orleans.«
»Wo ist Mary?«, krächzte ich.
»Mrs Bishop ist bei dem Kind, bei Tascha.« Die Singsangstimme der Schwester klang wie ein Schlaflied, ich fragte mich unwillkürlich, ob sie sich diese Sprechweise bewusst angewöhnt hatte. »Sie dürfen sie noch nicht sehen, aber ich werde ihr sagen, dass Sie nach ihr gefragt haben. Ihr wird ein Stein vom Herzen fallen. Sie hat große Angst um Sie ausgestanden.«
Es dauerte einen Moment, bis diese Worte in mein Bewusstsein einsickerten. Dann hob ich den Kopf. »Weswegen bin ich überhaupt hier?«
»Sie haben eine doppelseitige Lungenentzündung. Das Schlimmste ist jetzt überstanden, aber eine Zeitlang sah es gar nicht gut für Sie aus.«
Meine Hand fuhr zu meinem Hals. Erst als meine Fingerspitzen auf nackte Haut trafen, begriff ich, welcher unbewusste Impuls mich zu dieser Bewegung veranlasst hatte - und dass mein Diamantanhänger verschwunden war.
»Wo ist meine Kette?«, fragte ich rau.
Die Schwester runzelte verwirrt die Stirn. »Sie trugen keinen Schmuck, als Sie eingeliefert wurden, nur einen Ring.«
Ich stellte fest, dass ich es in meiner momentanen Verfassung nicht ertragen konnte, weiter darüber nachzudenken. »Dann muss ich mich wohl geirrt haben«, murmelte ich, während die Schwester meinen Arm behutsam wieder auf das weiße Laken legte. Dann versank ich erneut in einem gnädigen Halbschlaf.
Als ich die Augen wieder aufschlug, fiel mir das Atmen nicht mehr ganz so schwer. Der Himmel draußen vor dem Fenster war dämmrig, aber ich hatte keine Ahnung, ob es Abend oder Morgen war und wie viel Zeit seit meiner letzten wachen Phase vergangen war. Mühsam wandte ich den Kopf zur Seite. Mary saß an meinem Bett und blinzelte auf ihr Strickzeug hinunter, als versuche sie zu ergründen, was sie damit anstellen sollte. Ihr Gesicht war von viel mehr
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