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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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diese Tatsache schonender hätte beibringen sollen.
    »Was sagst du da?« Mary starrte mich ungläubig an.
    »Es stimmt. Ich habe ein Bild von ihr gefunden.«
    »Wo ist dieses Bild?«
    »Im Cottage. Es ist ein Portrait von ihnen beiden, komplett mit Namensschild und allem. Ihr Name war Eve.«
    Mary schloss kurz die Augen, dann schlug sie sie wieder auf und sagte: »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich es mir einmal ansehe?«
    Also gingen wir zum Cottage zurück und durchquerten die leeren Räume schweigend, bis wir in das Arbeitszimmer
gelangten. Mary betrachtete das Portrait lange. Ihr Gesicht verriet nicht, was in ihr vorging. Aus irgendeinem Grund empfand ich es als tröstlich, dass sie weder einen Laut der Überraschung von sich gab, noch sonst eine erkennbare Reaktion auf meine schockierende Entdeckung zeigte. Sie hob eine Hand zu dem Bild. Ihre Finger verharrten einen Augenblick lang über dem Gesicht meiner Mutter, als wolle sie es berühren, dann ließ sie die Hand abrupt wieder sinken und wandte sich an mich.
    »Nun«, stellte sie sachlich fest, »das erklärt allerdings einiges.«
    »Was denn?«
    »Zum Beispiel die Geheimniskrämerei deines Großvaters, wenn es um deine Mutter ging. Seinen Widerwillen, über sie zu sprechen. Natürlich ergeben sich jetzt auch viele Fragen … aber dieses Bild ist wie ein fehlendes Puzzleteil. Eigentlich sollte ich jetzt ja erschüttert sein - es ist grausam, wenn jemand versucht, sein eigenes Kind aus seinem Leben zu löschen - trotzdem kommt es mir so vor, als hätte ich…«
    »Es schon immer gewusst«, beendete ich den Satz für sie.
    Sie sah mich an und bedachte mich dann mit einem liebevollen Lächeln. »Ganz genau. Komm, Eleanor, hier gibt es für uns nichts mehr zu tun.«
    »Aber es muss doch Unterlagen geben«, beharrte ich. »Geburtsurkunden, Fotos und solche Sachen. Er kann doch nicht alle Beweise für ihre Existenz vernichtet haben. Was auch immer geschehen ist, sie war sein Fleisch und Blut, er muss sie einmal geliebt haben…« Ich hörte selbst, wie flehend meine Stimme klang. Es war kindisch, das wusste ich, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass der Mann, der mich wie seine Tochter großgezogen hatte, seine eigene verstoßen haben sollte.

    »Aber nicht hier«, wiederholte Mary fest. »Wenn es da noch irgendetwas zu finden gibt, dann im großen Haus. Wir haben uns noch nicht in der Bibliothek umgesehen, und auf dem Dachboden auch nicht. Lass uns nach Hause gehen.«
    Seufzend gab ich meinen Widerstand auf und kehrte von wachsendem Unbehagen erfüllt mit Mary zum Herrenhaus zurück.
    Wir nahmen uns zuerst den mächtigen Schreibtisch in der Bibliothek vor. Falls Mary beabsichtigt hatte, mich mit dieser Suche von den weitaus beunruhigenderen Aspekten meiner Entdeckung abzulenken, dann ging ihr Plan auf. Wir knieten inmitten von Papierbergen und kicherten wie zwei Schulmädchen über die Fundstücke, die wir zu Tage förderten.
    »Kannst du dir vorstellen, dass William ein lokaler Schwimmchampion war?«, prustete Mary.
    »Und dass er einen Harvardabschluss hatte? Mir hat er erzählt, er hätte nie ein College besucht, er behauptete, ein überzeugter Autodidakt zu sein.«
    Mary lachte. »So ein alter Schwindler!«
    Doch nach zwei Stunden hatten wir den Inhalt aller Schubladen durchgesehen, ohne einen einzigen Hinweis auf die Zwillinge zu finden.
    »Irgendwo müssen doch ihre Geburtsurkunden sein«, überlegte ich laut.
    »Vermutlich im Rathaus, aber wir wissen ja nicht, wo genau die Mädchen geboren wurden. Andererseits…« Mary nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe. »William hat mir einmal erzählt, deine Großmutter wäre sehr religiös gewesen.«
    »Sie war eine fromme Katholikin, glaube ich.«
    »Also hat sie sicher eine Bibel besessen.«
    »Dort oben ist eine.« Das große, in Leder gebundene
Buch lag ganz oben auf dem Regal an der gegenüberliegenden Wand.
    »Hmm…« Mary stellte eine kleine Trittleiter vor das Regal. »Sie hat ihren Töchtern Namen aus der Heiligen Schrift gegeben.« Sie nahm die Bibel herunter und kniete sich wieder neben mir auf den Läufer. »Ich könnte wetten, dass sie sich auch an die alte Tradition gehalten hat, Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in die Familienbibel einzutragen.« Sie blätterte die leeren Seiten am Anfang und am Ende des Buches durch. »Da haben wir sie ja. Eine fünf Generationen zurückreichende Geburtenliste. Sieh mal, hier stehen die beiden. Eve Brigitte und Elizabeth Marie Fairfax, geboren am 31.

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