Die Straße nach Eden - The Other Eden
einem Vorort von New Orleans aufgewachsen
und erst vor ein paar Jahren hierhergezogen. Ich habe natürlich von Ihren Großeltern gehört, aber als ich herkam, hatten sie ihre Besuche in Eden schon lange eingestellt.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Deswegen möchte ich Sie auch um etwas bitten.« Ich zögerte, da es mir immer noch widerstrebte, ihm das traurige Schicksal meiner Großmutter zu enthüllen. Aber Dr. Browns offenes Gesicht und seine mitfühlenden blauen Augen brachten mich zu der Überzeugung, dass er der Letzte war, der verächtlich oder herablassend über einen kranken Menschen sprechen oder sich gar über ihn lustig machen würde. Also fuhr ich fort: »Ich habe meine Großmutter nie gekannt. Sie starb, als ich ein Baby war. An meine Eltern kann ich mich auch kaum erinnern, meine Mutter starb, als ich drei Jahre alt war, und mein Vater … hat uns verlassen. Mein Großvater William Fairfax hat mich danach zu sich genommen.«
Ich hob den Kopf, um zu sehen, wie Dr. Brown auf meine Worte reagierte, doch er nickte nur, legte die Hände gegeneinander und tippte mit den Zeigefingern gegen seine Oberlippe.
Nachdem ich tief Atem geholt hatte, sprach ich weiter. »Er hat so gut wie nie mit mir über meine Mutter und meine Großmutter gesprochen. Ich weiß, dass beide an irgendeiner Krankheit gestorben sind, er deutete einmal an, es könne sich um dasselbe Leiden handeln.« Ich konnte dem Arzt nicht in die Augen sehen. Stattdessen spielte ich nervös mit meinen Handschuhen. »Meine Mutter war nicht viel älter, als ich jetzt bin, als sie krank wurde. Ich weiß nicht, was genau zu ihrem Tod geführt hat, und ich habe keine Unterlagen, die mir Aufschluss darüber geben könnten. Aber ich dachte, da meine Großmutter zuerst hier in Eden behandelt worden ist…« Ich war noch nie eine gute Lügnerin gewesen, und jetzt begann ich die Nerven zu verlieren. Mein Gesicht brannte wie Feuer.
Zum Glück deutete Dr. Brown dies als Zeichen von Verlegenheit, da ich ganz offensichtlich im Begriff stand, ihn um vertrauliche Auskünfte zu bitten. Er lächelte aufmunternd, ehe er sagte: »Normalerweise geben wir keine medizinischen Informationen über unsere Patienten preis. Aber da Mrs Fairfax ihre Großmutter war und überdies nicht mehr am Leben ist, wüsste ich nicht, was in diesem Fall dagegen spricht. Ich nehme an, Dr. Beaufort war der behandelnde Arzt? Seine Patientenkartei müsste noch hier sein. Ich werde Ihnen die betreffenden Aufzeichnungen zeigen, Miss Rose - das war es doch, worum Sie mich bitten wollten, nicht wahr?«
Noch tiefer errötend nickte ich dankbar.
»Trotzdem muss ich darauf bestehen, dass Sie sich gründlich untersuchen lassen. Wenn Ihre Mutter und Ihre Großmutter an einer Erbkrankheit gestorben sind, dann besteht die Möglichkeit, dass auch Sie daran erkranken.« Wieder nickte ich. Eine solche Untersuchung war ein geringer Preis für die Informationen, die ich haben wollte.
Dr. Brown verließ das Sprechzimmer. Während ich allein in dem kleinen, stickigen Raum saß, wuchs meine Beklemmung. Zum ersten Mal, seit ich Eves Tagebucheintrag über die Krankheit ihrer Mutter gelesen hatte, dachte ich darüber nach, was mich dazu getrieben hatte, diese Nachforschungen anzustellen. Natürlich wollte ich mehr über diese Frau in Erfahrung bringen, über die ich so wenig wusste, vor allem, weil mein Großvater hatte durchblicken lassen, dass zwischen ihrem Tod und dem meiner Mutter ein Zusammenhang bestehen könnte. Ich hoffte sogar insgeheim, in den alten Krankenakten irgendwelche Hinweise auf Eves Schicksal zu entdecken. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass der eigentliche Grund für mein Tun der kleine, beharrliche Funke war, den mein Großvater in meiner Kindheit mit dem Rat, nicht in dieselbe Schwermut
zu verfallen wie meine Mutter und meine Großmutter, in mir entzündet hatte und der durch die Klatschgeschichten über die unheilvolle Wende genährt worden war, die diese Schwermut im Fall meiner Großmutter genommen hatte. Ich hatte den Arzt in dem Glauben gelassen, ich würde fürchten, eine körperliche Erkrankung geerbt zu haben, aber das war nicht die volle Wahrheit. Wenn meine Großmutter an irgendeiner Geisteskrankheit gelitten hatte, wollte ich wissen, ob ich Gefahr lief, eines Tages ebenfalls daran zu erkranken.
Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich Dr. Brown nicht in das Sprechzimmer zurückkehren hörte und zusammenschrak, als er meinen Namen nannte. Mit einem breiten
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