Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
wurde, dass ich auf der äußersten linken Ecke des Rasens stand, der sich vor dem Haus auf dem Hügel erstreckte.
    Ein heißer Wind fuhr durch das Gras und zerrte an meinen Kleidern, als wollte er mich zur Umkehr bewegen, aber mit jedem Schritt, der mich näher an das Haus herangeführt hatte, war die magnetische Anziehungskraft, die es auf mich ausübte, bis ins Unerträgliche gewachsen. Ich war jetzt sicher, dass es zu einem späteren Zeitpunkt als das Herrenhaus der Plantage gebaut worden war. Zwar war ich keine Architekturexpertin, aber das mit Türmchen besetzte Dach und die überladenen Verzierungen gehörten für mich eindeutig der Neugotik an. Vom linken Flügel erhob sich ein runder Turm, daneben bildeten drei alte Eichen ein Dreieck. Ihre Zweige waren so miteinander verflochten und mit Spanischem Moos bedeckt, dass sie mit den drei Baumstämmen zu verschmelzen schienen.
    Ungefähr sechzig Meter vor dem Haus fiel der Boden zu einer gepflasterten Auffahrt ab. Der überdachte Eingang musste einmal wunderschön gewesen sein, aber der
Zahn der Zeit und Vernachlässigung hatten ihm schwer zugesetzt. Zu beiden Seiten davon verliefen entlang der Front des Hauses schmale Veranden, doch die Geländer waren, gefangen im tückischen Griff des Efeus, zerbröckelt und geborsten, und die Cherubs an den Ecken der Stufen waren mit feinem braunen Moos und welligen Flechten bedeckt. Steinerne Urnen, in denen vertrockneter Farn raschelte, flankierten die vordere Eingangstür. Eine war in zwei Teile zersprungen, ein paar Scherben lagen auf den Stufen.
    Wenn ich schon beim ersten Betreten des Hauses meiner Großmutter eine unterschwellige Traurigkeit und den Hauch eines verborgenen Geheimnisses gespürt hatte, so löste das Haus auf dem Hügel noch weit intensivere und beängstigendere Gefühle in mir aus. Ich wünschte mir sehnlichst, es zu dem glücklichen Heim machen zu können, das es eigentlich sein sollte und vielleicht einmal gewesen war. Ich wollte die Fenster aufreißen, damit der Wind die Spinnweben von den Decken fegen konnte. Aus den Schornsteinen sollte Rauch aufsteigen, Lichter hinter den Fenstern brennen und Gelächter erklingen. Kinderfüße sollten über die Dielen trampeln. Stattdessen war es in einer erdrückenden Leere gefangen, die nicht nur von dem trostlosen Anblick der verlassenen Räume herrührte.
    Ich holte tief Atem, trat über die zerbrochene Urne hinweg, legte eine Hand auf den Türknauf und hielt dann inne, weil mich plötzlich das Gefühl übermannte, beobachtet zu werden. Ich trat einen Schritt zurück, musterte die Fenster zu beiden Seiten der Eingangstür scharf und versuchte mir einzureden, dass meine Fantasie mir Dinge vorgaukelte, die gar nicht da waren, doch zugleich war ich mir sicher, dass sich der Vorhang an dem Fenster zu meiner Rechten in dem Moment bewegt hatte, als mein Blick dorthin gewandert war - so, als sei er angehoben und rasch wieder
fallen gelassen worden. Erschauernd atmete ich noch einmal tief durch, dann drehte ich den Knauf.
    Entgegen all meiner Befürchtungen ließ sich die Tür mühelos öffnen. Dahinter lag eine leere Eingangshalle, ein in Dämmerlicht getauchter gewölbeähnlicher Raum. Die wenigen darin verbliebenen Möbelstücke waren mit großen Tüchern bedeckt und standen auf einem ausgeblichenen Orientteppich. Die blauen Damastvorhänge vor den Fenstern zu beiden Seiten der Tür waren bis auf zwei allesamt zugezogen. Ich schob einige davon zurück, und helles Licht durchflutete den Raum.
    Die weißen Wände und die Decke waren mit kunstvollen Stuckverzierungen geschmückt, der mit kleinen schwarzen Sprenkeln übersäte Goldüberzug schimmerte immer noch weich. Zu beiden Seiten des Raumes sah ich mehrere geschlossene Türen, am anderen Ende gingen drei staubige Glastüren auf etwas hinaus, das wie eine weitere Terrasse aussah.
    Dort wand sich auch eine Treppe in das Dunkel hinauf. Die Stufen waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Ich empfand es fast als Sakrileg, Fußspuren darin zu hinterlassen, so wie es mir als Kind auch immer mit frisch gefallenem Schnee gegangen war. Der erste Absatz ging in einen Balkon über, der einen Blick über den darunterliegenden Raum bot. In eine Wand war ein Flügelfenster eingelassen. Ich zog den Vorhang zurück, um die Schatten zu vertreiben. Die prickelnde Erregung, die mich beim Betreten des Hauses erfüllt hatte, schwand rasch und machte bösen Vorahnungen Platz, die ich nicht abschütteln konnte, so kindisch sie auch

Weitere Kostenlose Bücher