Die Straße nach Eden - The Other Eden
Wenige, was ich über Claudine Fairfax’ Krankheit und den Verdacht, sie sei eher geistiger Natur gewesen, wusste, hatte ich bei den gesellschaftlichen Veranstaltungen meiner Kindheit aufgeschnappt - Klatsch und Gerüchte, die nie von handfesten Beweisen untermauert worden waren.
Aber jetzt hatte ich, was das Rätsel um Claudine betraf, einen konkreten Anhaltspunkt: den Namen ihres Arztes. Und ich wusste, wer mir sagen konnte, wo er zu finden war.
»Ja, ich habe von Dr. Beaufort gehört«, erwiderte Colette, während sie Brotteig knetete. »Aber das nützt Ihnen nichts, denn er ist vor zehn Jahren gestorben. Wenn Sie einen Arzt aufsuchen wollen, gehen Sie am besten zu Dr. Brown. Er hat Dr. Beauforts Praxis im Dorf übernommen. Ein netter Mann - macht keinen Unterscheid zwischen Farbigen und Weißen.«
»Danke, Colette«, sagte ich, und um keinen Verdacht zu
erregen und mein Vorhaben vor Mary geheim zu halten, bis ich entschieden hatte, ob ich sie an meinen Nachforschungen beteiligen sollte oder nicht, fuhr ich fort: »Mein Schlafmittel aus Boston wirkt nicht. Ich dachte, einer der hiesigen Ärzte könnte mir vielleicht etwas anderes verschreiben.«
»Das kann Dr. Brown bestimmt«, meinte Colette. »Aber wenn Sie mich fragen, hilft diese neumodische Medizin längst nicht so gut wie die traditionelle. Wenn Sie wollen, spreche ich einmal mit Callista Martin, wenn ich das nächste Mal meine Mutter besuche.«
Aus früheren Gesprächen mit Colette wusste ich, dass es sich bei besagter Callista um eine selbst ernannte Medizinfrau handelte, deren Praktiken zweifellos auch ein bisschen Voodoo einschlossen. »Ich glaube, ich gehe lieber erst einmal zu Dr. Brown. Ich muss heute Nachmittag sowieso in das Dorf. Wenn Mary vor mir zurückkommt, sagen Sie ihr, ich hätte ein paar Besorgungen zu machen, ja?«
»Natürlich, Mademoiselle«, nickte Colette, die eindeutig keinen Verdacht geschöpft hatte. Einen Moment lang fragte ich mich, warum es mich überhaupt kümmerte, was andere dachten, aber ich nehme an, mein Stolz verbot es mir, mich vor den Dienstboten in allen Einzelheiten über die Krankheit meiner Großmutter auszulassen oder auch nur durchblicken zu lassen, dass ich mich dafür interessierte.
Ich suchte meine Sachen zusammen, bat Jean-Pierre, das Auto vorzufahren, stieg ein und machte es mir für die Fahrt ins Dorf bequem. Die leise Furcht vor dem, was ich vielleicht herausfinden würde, verdrängte ich entschlossen. Ich wies Jean-Pierre an, vor einem Bekleidungsgeschäft zu halten und mich dort in einer Stunde wieder abzuholen. Sowie er außer Sicht war, eilte ich über die Straße zu der Adresse hinüber, die Colette mir genannt hatte.
In dem kleinen Wartezimmer saßen nur zwei Leute: eine Arzthelferin, der ich meinen Namen nannte, und eine ältere
Frau, die mich neugierig anstarrte, bis sie in das Sprechzimmer gerufen wurde und die sich zweifellos darüber wunderte, dass ich den ganzen Weg hinunter ins Dorf auf mich genommen hatte, statt den Arzt nach Eden zu rufen. Nach einer Viertelstunde kam sie wieder heraus und verließ die Praxis. Dabei warf sie mir verstohlene Blicke zu, die ich ignorierte. Dann bat mich Dr. Brown zu sich herein.
Ich war sofort enttäuscht von ihm. Er konnte nicht älter als fünfunddreißig sein: zu jung, um einen der Menschen gekannt zu haben, über die ich etwas in Erfahrung bringen wollte. Aber er hatte ein rosiges, freundliches Gesicht und eine umgängliche Art, die darauf schließen ließ, dass er alles tun würde, um mir zu helfen, auch wenn er meine Fragen nicht selbst beantworten konnte.
»Guten Tag, Miss Rose.« Er schüttelte mir die Hand und deutete auf einen Stuhl. »Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.«
»Danke.« Ich nahm Platz und nestelte verlegen am Riemen meiner Handtasche herum.
»Wo liegt denn Ihr Problem?«
Ich blickte in sein lächelndes Gesicht und begriff, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich anfangen sollte. Ich sah ihn eine Weile stumm an, dann platzte ich heraus: »Ich bin eigentlich gar nicht krank.«
Ich merkte ihm an, dass er aufkeimenden Ärger unterdrückte, aber dann gewann sein freundliches Wesen die Oberhand, und er sagte nur: »Sie suchen also einen Rat, nicht wahr?«
»In gewisser Hinsicht ja«, bekannte ich. »Ich fürchte, Sie werden meine Frage recht sonderbar finden, aber … ich wüsste gern, ob Sie meine Großeltern kannten. William und Claudine Fairfax.«
Dr. Brown lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Leider nein. Ich bin in
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