Die Straße nach Eden - The Other Eden
trafen mich seine Worte wie ein Schlag. Wieder dachte ich an die lange zurückliegende
Bitte meines Großvaters zurück, alles zu tun, um nicht dasselbe Schicksal wie meine Mutter und meine Großmutter zu erleiden.
Dr. Brown holte mich mit einem mitfühlenden Lächeln in die Gegenwart zurück. »Ich weiß, wie beunruhigend das in Ihren Ohren klingen muss, Miss Rose«, sagte er. »Aber der Umstand, dass Dr. Dunham zu Rate gezogen wurde, beweist noch lange nicht, dass die Krankheit Ihrer Großmutter psychischer Natur war, in den Unterlagen hier findet sich auch kein Hinweis darauf. Erinnern Sie sich, ob irgendetwas in dieser Art auch von Ihrer Mutter behauptet wurde?«
»Nein - aber als sie starb, hatte sie schon jahrelang keinen Kontakt zu ihrer Familie mehr gehabt.«
»Nun, schwere Krankheiten kommen häufig vor und sind um die Jahrhundertwende herum noch häufiger aufgetreten. Wenn Sie keinen Grund zu der Annahme haben, dass Ihre Mutter geistig verwirrt gewesen sein oder wie Ihre Großmutter an einer unbekannten Krankheit gelitten haben könnte, dann besteht kaum Gefahr, dass Sie ein solches Leiden geerbt haben könnten, selbst wenn Ihre Großmutter daran gestorben ist. Aber wenn es Ihnen hilft, kann ich mich mit Dr. Dunham in Verbindung setzen und ihn um die betreffende Krankenakte bitten.«
Ich dachte kurz darüber nach und entschied, dass alles, was ich so vielleicht erfuhr, besser war als bloße Vermutungen. Vergessen würde ich die Angelegenheit jetzt ganz bestimmt nicht mehr, ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass die Ungewissheit mich letztendlich genauso zerrütten würde wie irgendeine wie auch immer geartete Wahrheit.
»Das wäre sehr nett von Ihnen«, erwiderte ich, und Dr. Brown meinte, dann wolle er noch heute einen Brief nach New Orleans schicken.
Dann untersuchte er mich von Kopf bis Fuß, stellte aber lediglich fest, dass ich leicht untergewichtig war und erschöpft wirkte. Er erneuerte mein Rezept für Chloralhydrattropfen, versprach noch einmal, unverzüglich an Dr. Dunham zu schreiben, und brachte mich dann zur Tür. Ich schüttelte ihm die Hand, dann lief ich über die Straße zu dem Bekleidungsgeschäft hinüber, wo Jean-Pierre auf mich wartete.
6. Kapitel
D ie Tagebücher gaben mir keinen weiteren Aufschluss über die Lebensgeschichte meiner Tante, und so konnte ich im Moment nichts tun, als darauf zu warten, dass sich Dr. Brown bei mir meldete, sowie er Näheres über das Schicksal meiner Großmutter herausgefunden hatte. Diese vorübergehende Sackgasse führte dazu, dass ich mich eingehender mit einem anderen Problem zu befassen begann.
Alexanders Bemerkung, das Haus auf dem Hügel würde mich unwiderstehlich anziehen, hatte mich tief erschüttert. Die Faszination, die es auf mich ausübte, schien mit jedem Tag stärker zu werden, was natürlich an meinen konstanten Bemühungen, es nicht zu beachten, liegen konnte. Über eine Woche lang blieb ich standhaft, da ich keinem dummen Aberglauben nachgeben wollte. Doch an dem Morgen, an dem die Trewoschows eintreffen sollten, wachte ich früh auf, und nachdem ich eine Stunde am Klavier gesessen hatte, wurde mir klar, dass ich dort an diesem Tag nichts Rechtes zustande bringen würde.
Ich trat an eines der geöffneten Fenster des Musikzimmers und blickte auf den unter mir im Morgenlicht schimmernden See hinab. Vom Haus auf dem Hügel konnte ich nur die Türmchen sehen. Alexanders verschleierte Warnung und meine neuesten Erkenntnisse über Eve gingen mir im Kopf herum. Doch ehe der gesunde Menschenverstand siegen konnte, verließ ich den Raum, eilte den Gang zur Eingangshalle entlang, öffnete die Fliegengittertür und trat ins Freie hinaus.
Ich schlug den Pfad zum Hügelziergarten ein, wobei ich halb hoffte, jemandem zu begegnen, der mich von meinem Vorhaben abhielt, aber der Garten lag verlassen da. Ich folgte dem Pfad entlang des Seeufers, bis er ein Stück hinter Alexanders Cottage endete, dann begann ich mir einen Weg durch den Wald zu bahnen. Kletterpflanzen und Dornenranken wanden sich um die Bäume, die Luft wimmelte von Mücken, und ich blieb mit Beinen und Händen immer wieder im Unterholz hängen. Bald war ich mit kleinen Kratzern und Insektenstichen übersät und fest davon überzeugt, dass der Wald es ganz bewusst darauf anlegte, mich zu peinigen. Trotzdem kämpfte ich mich weiter, bis ich auf etwas hinausstolperte, was wie eine völlig mit Unkraut überwucherte Wiese aussah. Es dauerte einen Moment, bis mir klar
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