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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Buntglaswappen der Familie meiner Großmutter - einem von Wasser umgebenen Apfelbaum - stand offen, um die Morgenluft hereinzulassen. Ein Fliegengitter hielt Insekten fern.
    So schön das Haus auch war - oder nach ein paar Instandsetzungsarbeiten sein würde -, mich stieß es vom ersten Moment an ab. Es strahlte eine abstrakte Traurigkeit aus, die an Feindseligkeit grenzte. In diesem Augenblick
wollte ich nur noch eines - die Flucht ergreifen und schnellstmöglich in den Norden zurückkehren, zurück zu der beruhigenden Berechenbarkeit eines Ortes, den ich gut kannte.
    Stattdessen stieg ich aus dem Auto. Sowie ich den Fuß auf den Boden von Eden’s Meadow setzte, spürte ich, wie die über dem Haus liegende Lethargie auch von mir Besitz zu ergreifen drohte und wusste, dass ich mich mit aller Kraft dagegen zur Wehr setzen musste. Es war Eden, von dem meine Mutter fortgelaufen war und als Folge davon ihre Familie nie wiedergesehen hatte. Es war Eden, wo meine Großmutter krank geworden, fünf Jahre im Zustand geistiger Verwirrung dahingesiecht und schließlich gestorben war. Unwillkürlich verglich ich das Unglück meiner Mutter und meiner Großmutter mit den Gefühlen, die Eden in mir selbst auslöste, und da mir jenes erste Versprechen wieder einfiel, das ich meinem Großvater gegeben hatte, schwor ich mir, mich von diesem Ort nicht besiegen zu lassen.
    Im Lauf der Zeit ließ meine Furcht etwas nach, schwand aber nie ganz. Ich verbrachte viele Stunden am Klavier, einem wundervollen Bechstein-Flügel, der meiner Großmutter gehört hatte. Das Spielen trug viel dazu bei, den Schmerz über den Verlust meines Großvaters zu lindern. Der milde Winter ging in einen frühen Frühling über, und den April bezeichneten wir zur Erheiterung der Hausmädchen und des Gärtners, den wir eingestellt hatten, schon als heiß. Im Mai stand der Sommer Louisianas in voller Blüte, die Luft war schwül und stickig, und nachmittags fegten Regenstürme über das Land.
    Mary und ich brachten nicht mehr die Energie auf, über eine Rückkehr nach Hause zu sprechen; vielleicht hatten wir akzeptiert, dass wir zu Hause waren. Wir waren in den Alltagstrott der Einheimischen verfallen, die bei uns lebten,
wir standen früh auf, ruhten während der heißesten Zeit des Tages und gingen abends spät zu Bett. Die Tage begannen einem festen Muster zu folgen, und dieses Muster wurde so angenehm vertraut, dass mich sein Zusammenbruch ebenso unverhofft traf wie der Anblick des Hauses.
    An diesem Morgen war ich schon vor Tagesanbruch wach. Der Grund dafür war weniger in den heißen Tropennächten als vielmehr in der Schlaflosigkeit zu suchen, unter der ich seit dem Tod meines Großvaters litt. Obwohl ich davon überzeugt war, dass sich das Problem mit der Zeit von selbst lösen würde, machte sich Mary deswegen ständig Sorgen. Als sie darauf bestand, dass ich vor unserer Abreise noch in Boston einen Arzt aufsuchte - gemäß der längst überholten Devise, dass man nur in seiner Heimatstadt richtig behandelt wurde -, fügte ich mich ihrem Willen. Ich fügte mich auch dem Willen des Arztes, der mir ein Rezept für Chloralhydrattropfen ausschrieb, die ich gar nicht wollte. Ein- oder zweimal probierte ich diese Medizin sogar aus, aber ich fand die Folgen schlafloser Nächte erträglicher als die durch die Arznei hervorgerufene lähmende Benommenheit.
    So war ich an diesem Morgen früh genug auf den Beinen, um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Er verlieh den Wäldern und dem Himmel den schmutzigen Kupferton alter Pennies. Ich saß auf dem schmalen, in das stille Wasser des Sees hineinragenden Steg und sah zu, wie sich der Himmel im Osten verfärbte. Das Tagebuch und der Bleistift, den ich mitgebracht hatte, um einen neuen Eintrag vorzunehmen, waren vergessen. Ich dachte an Eve. Seit jener ersten, sechs Monate zurückliegenden furchtbaren Nacht nach dem Tod meines Großvaters hatte ich nicht mehr von ihr geträumt. Obwohl sie mir in meiner Kindheit nur sporadisch im Traum erschienen war - nachdem ich zur Schule gekommen war, überhaupt nicht mehr -, fehlte sie mir
so sehr, als wäre sie immer bei mir gewesen. Vielleicht war sie das auf gewisse Weise ja auch. In meiner Kindheit war Eve für mich ein von meiner Mutter getrenntes Wesen gewesen, doch später schrieb ich ihre tröstliche Traumgegenwart meiner Sehnsucht nach der Mutter zu, die ich so früh verloren hatte.
    Ich wandte mich von dem Sonnenaufgang ab, der zu grell geworden war, um noch länger hinsehen

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