Die Straße nach Eden - The Other Eden
Absinth getrunken hattest. Er vernebelt die Sinne und das Erinnerungsvermögen.«
»Das Erinnerungsvermögen?«, wiederholte ich gedehnt.
Alexander zuckte die Achseln. »Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, und andere haben es mir bestätigt.«
»Wenn das so ist - warum ist Dorian dann deiner Meinung nach hierhergekommen?«
Er seufzte. »Ich würde mir ja gern einreden, er wäre mir gefolgt oder wollte einfach nur Joyous Garde als rechtmä ßiger Besitzer übernehmen, und alles andere würde auf blo ßen Zufällen beruhen. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass er ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt. Er ist hinter irgendetwas her, und er hofft, es hier zu finden.«
Alexander hielt inne, dann fügte er nachdenklich hinzu: »Aber zweierlei weiß ich mit absoluter Sicherheit. Erstens ist Dorian Ducoeur nicht der, der er zu sein vorgibt, und zweitens hat er irgendetwas mit diesen beiden dort zu tun.« Er deutete auf das Portrait der Zwillinge.
Als er sich wieder zu mir umdrehte, war seine Miene weich geworden. Er nahm mein Glas und stellte es gleichfalls zur Seite, dann verflocht er seine Finger mit den meinen. »Aber jetzt haben wir lange genug über diesen Mann geredet. Lass uns zu Bett gehen - wenn du mich nach alldem, was du gerade gehört hast, überhaupt noch haben willst.«
»Natürlich will ich das.« Ich küsste ihn leicht auf die Wange.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich wollte es dir schon eher sagen, Eleanor. Morgen muss ich nach Baton Rouge. Ich habe eine Verabredung mit einem Agenten, wir wollten über ein paar Engagements im Herbst verhandeln. Aber gegen Abend bin ich wieder zurück. Macht es dir etwas aus, allein zu bleiben? Möchtest du mitkommen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann ein bisschen Zeit für mich gut gebrauchen, ich habe meine Übungen in den letzten Wochen sträflich vernachlässigt.«
Er zog die Brauen hoch. »So? Und was könnte der Grund dafür sein, Miss Rose?«
»Wenn ich diese Frage beantworten wollte, müsste ich erröten, Mr Trewoschow«, gab ich lachend zurück.
»Nun, dann kommen Sie mit nach oben und gestehen mir alles, Miss Rose.«
»Nur wenn du versprichst…« Von plötzlicher Furcht erfüllt sah ich ihn an. »Komm heil zurück, Alexander.«
Eine tiefe Furche erschien auf seiner Stirn, doch dann lächelte er. »Hab keine Angst, Elenka. Was kann denn in ein paar Stunden schon groß passieren?«
2. Kapitel
A ls Alexander aufbrach, hatte sich der Himmel bedrohlich verdunkelt. »Colette sagt, ein Sturm zieht auf«, warnte ich ihn, als er in den Wagen stieg, den ich ihm für den heutigen Tag überlassen hatte. »Versprich mir, dass du in der Stadt bleibst, wenn das Wetter zu schlecht wird.«
Alexander lachte nur. »Du klingst schon fast wie Mary.«
»Ich gebe schon auf ihn Acht, Mademoiselle«, versicherte mir Jean-Pierre.
»Danke«, murmelte ich, ehe ich Alexander zum Abschied küsste.
Den Vormittag verbrachte ich am Klavier. Als Tascha, Mary und ich uns zum Mittagessen an den Tisch setzten, schlugen bereits die ersten schweren Regentropfen gegen die Fensterscheiben, und es dauerte nicht lange, bis wir die Lampen einschalten mussten, weil der Sturm das Zimmer in ein tiefes Zwielicht tauchte. Den größten Teil dieses langen Nachmittags vertrieben wir uns im Musikzimmer. Mary las, ich absolvierte meine Übungen, und Tascha saß auf dem Boden und spielte still mit ihren Puppen. Der düstere Nachmittag ging nahtlos in die Abenddämmerung über, ohne dass wir drei mehr als ein paar belanglose Worte miteinander gewechselt hatten.
Mary war gerade aufgestanden, um noch mehr Licht zu machen, als Tascha plötzlich zusammenschrak und ich zum Fenster hinüberblickte. Einen Moment später hörten wir das Brummen eines Automotors und das Knirschen von Reifen auf der Auffahrt.
»Wenn das Alexander ist, dann ist er aber früh dran«, bemerkte Mary nach einem Blick auf ihre Uhr.
Doch die triefnasse Gestalt, die gleich darauf an der Tür stand, war nicht Alexander, sondern Dorian Ducoeur. Er nahm seinen tropfenden Hut ab, strich sich das feuchte Haar aus der Stirn und lächelte nach Entschuldigung heischend.
»Es tut mir leid, wenn ich störe, aber gleich hinter Eden ist die Straße so aufgeweicht, dass ich mit dem Auto nicht weiterkomme. Wenn der Regen nachlässt, werde ich versuchen, zu Fuß nach Joyous Garde…«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, fiel Mary ihm ins Wort, trat zu ihm und half ihm aus seinem Mantel. »Nicht bei
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