Die Straße nach Eden - The Other Eden
ließ.
Also verlangte ich von ihm, dass er seine Pflicht tun und sie heiraten müsse. Er lachte mich nur aus und sagte, ich solle mich doch endlich von meinen überholten Moralvorstellungen verabschieden. Vielleicht erwachte in diesem Moment tatsächlich der kleine grüne Kobold in mir, denn ich holte aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er zurückschlagen oder zumindest wutentbrannt den Raum verlassen würde. Doch stattdessen tat er etwas völlig Unerwartetes - ehe ich wusste, wie mir geschah, schlang er die Arme um mich und küsste mich.«
Alexander durchbohrte mich mit einem durchdringenden Blick. Er erwartete ganz offensichtlich, dass ich mich schockiert und abgestoßen zeigte, aber seltsamerweise kam seine Enthüllung für mich nicht überraschend. Sie erklärte auch die unterschwellige Zuneigung, die während des Gesprächs, das ich auf Joyous Garde mit angehört hatte, in Dorians Worten mitgeschwungen war sowie die Kälte, mit der Alexander ihnen begegnet war.
»Und weiter?«, drängte ich, als mir klar wurde, dass Alexander nicht unaufgefordert weitersprechen würde.
Er schüttelte den Kopf. »Antoine begann wirres Zeug zu reden. Er sagte, ich wäre derjenige, den er in Wahrheit lieben würde, schon seit dem Moment, als er mich zum
ersten Mal spielen gehört hätte, und dass er mir deswegen auf Schritt und Tritt gefolgt sei. Er sprach von dem Reichtum seiner Familie, von allem, was er noch sehen und tun wollte und wie sehr er sich mich dabei als Gefährten an seiner Seite wünschte. Dann bat er mich, Russland mit ihm zu verlassen. Aber was mir heute noch Angst macht…« Er hielt inne, dann wiederholte er: »Was mir heute noch Angst macht, ist, dass ich mich von seinen Worten beinahe hätte verführen lassen.
Es fällt mir auch jetzt noch schwer, eine plausible Erklärung dafür zu finden. Ganz sicher habe ich ihn nicht geliebt - weder auf die Weise, die er sich wünschte, noch auf irgendeine andere. Ich habe ja das Gift auf dem Grund der Schale gesehen, die er mir anbot, aber er verstand es wie kein Zweiter, Menschen zu betören. Und damit du dich keinen Illusionen über mich hingibst, Eleanor - ich hätte mich vielleicht tatsächlich von ihm in Versuchung führen lassen, wenn sich nicht kurz darauf etwas Unvorhergesehenes ereignet hätte.«
Er schien auf eine Reaktion von mir zu warten, aber mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Nach einem Moment sprach er weiter.
»Wir standen noch im Wohnzimmer meines Elternhauses, als jemand plötzlich heftig gegen die Tür hämmerte. Es war einer meiner ältesten Freunde, er sah blass aus und wirkte bis ins Innerste erschüttert. Er berichtete uns, dass soeben Annas Leichnam gefunden worden sei, sie habe eine große Dosis Rattengift genommen. Einen Abschiedsbrief hatte sie nicht hinterlassen, aber wie sich herausstellte, war sie schon mehrere Monate schwanger gewesen.
Natürlich gab man mir die Schuld an dieser Tragödie, und natürlich zwang ich Antoine, öffentlich einzugestehen, dass die Schuld bei ihm lag. Danach blieb er nicht mehr lange in St. Petersburg. Ehe er die Stadt verließ, suchte
er mich noch mehrmals auf, um sich mit mir auszusprechen, aber ich weigerte mich, ihn zu empfangen. Ich sah ihn erst an dem Tag wieder, an dem er das Musikzimmer von Eden’s Meadow betrat.«
Alexander stellte sein leeres Glas auf den Tisch. »In jener Nacht auf Joyous Garde haben wir von dir gesprochen, nicht von Anna - ich denke, du wirst die Parallelen erkennen. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich fürchte, dass du hier nicht sicher bist.«
Ich runzelte die Stirn. »Selbst wenn es ihm gelingen würde, meine Gefühle für dich negativ zu beeinflussen - in den Selbstmord treibt er mich ganz bestimmt nicht.«
»Das hätte ich bei Anna auch nie für möglich gehalten.«
»Falls er so etwas versuchen sollte, beißt er sich an mir die Zähne aus, das kannst du mir glauben.«
»Möglich. Aber Tatsache ist und bleibt, dass er gefährlich ist … und dass er dich zu seinem nächsten Opfer auserkoren hat.«
»Was will er eigentlich von mir?«
»Ich weiß es nicht - und das beunruhigt mich am meisten.«
»Aber am Abend von Dorians Fest schienst du es zu wissen.«
Alexander hob verwirrt die Brauen. »Wie kommst du denn darauf?«
»Du klangst, als wüsstest du etwas über mich, was ich nicht weiß.«
Er musterte mich einen Moment lang forschend, dann sagte er: »Vergiss nicht, dass du ziemlich viel
Weitere Kostenlose Bücher