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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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hinaufschleppen. Man könnte ausgeräuchert werden. Was aßen sie? Das wusste nur der Himmel. In die Jacketts gehüllt, blickten sie zum Fenster hinaus. Wer ist das, Papa? Ich weiß nicht.
     
    In der Nacht wachte er auf und lauschte. Er konnte sich nicht erinnern, wo er war. Der Gedanke brachte ihn zum Lächeln. Wo sind wir?, sagte er.
    Was ist denn, Papa?
    Nichts. Alles in Ordnung. Schlaf weiter.
    Wir schaffen es doch, oder, Papa?
    Ja. Wir schaffen es.
    Und uns wird nichts Schlimmes passieren?
    Richtig.
    Weil wir das Feuer bewahren.
    Ja. Weil wir das Feuer bewahren.
     
     
    Am anderen Morgen fiel ein kalter Regen. Er wehte trotz der Überführung über das Auto und tanzte auf der Straße dahinter. Sie saßen da und starrten durch das Wasser auf der Scheibe. Als der Regen endlich nachließ, war ein Großteil des Tages vorüber. Sie ließen die Jacketts und die Decke auf dem Boden vor dem Rücksitz liegen und gingen die Straße hinauf, um weitere Häuser zu durchsuchen. In der feuchten Luft Holzrauch. Den Hund hörten sie nicht mehr.
    Sie fanden einige Utensilien und ein paar Kleidungsstücke. Ein Sweatshirt. Etwas Plastikfolie, die sie als Plane verwenden konnten. Er war sich sicher, dass sie beobachtet wurden, sah jedoch niemanden. In einer Speisekammer stießen sie auf Reste eines Sacks Maismehl, über den sich in jener lang vergangenen Zeit Ratten hergemacht hatten. Er siebte das Mehl durch ein Stück Fliegengitter, auf dem eine kleine Handvoll getrockneter Kot zurückblieb, dann entzündeten sie auf der Betonveranda des Hauses ein Feuer, machten Fladen aus dem Mehl und buken sie auf einem Stück Blech. Sie aßen sie langsam, einen nach dem anderen. Die wenigen, die übrigblieben, wickelte er in ein Stück Papier und steckte sie in den Rucksack.
     
    Der Junge saß auf der Eingangs treppe, als er am hinteren Ende der Einfahrt des gegenüberliegenden Hauses eine Bewegung wahrnahm. Ein Gesicht sah ihn an. Ein Junge, ungefähr in seinem Alter, in einen zu großen Wollmantel mit aufgekrempelten Ärmeln gehüllt. Er stand auf. Er rannte über die Straße und die Einfahrt hinauf. Niemand da. Er blickte zum Haus hin und rannte dann durch das tote Unkraut bis zum hinteren Ende des Gartens, an einen stillen schwarzen Bach. Komm zurück, rief er. Ich tu dir nichts. Er stand immer noch da und weinte, als sein Vater über die Straße gerannt kam und ihn am Arm packte.
    Was machst du denn da?, zischte er. Was soll denn das?
    Da ist ein kleiner Junge, Papa. Da ist ein kleiner Junge.
    Da ist kein kleiner Junge. Was soll denn das?
    Doch, da ist ein kleiner Junge. Ich habe ihn gesehen.
    Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich nicht vom Fleck rühren. Habe ich dir das nicht gesagt? Jetzt müssen wir gehen. Komm.
    Ich wollte ihn doch bloß sehen, Papa. Ich wollte ihn bloß sehen.
    Der Mann nahm ihn beim Arm, und sie gingen durch den Garten zurück. Der Junge hörte nicht auf zu weinen und blickte sich immer wieder um. Komm schon, sagte der Mann. Wir müssen gehen.
    Ich will ihn sehen, Papa.
    Es gibt niemanden zu sehen. Willst du sterben? Ist es das, was du willst?
    Das ist mir egal, sagte der Junge schluchzend. Das ist mir egal.
    Der Mann blieb stehen. Er blieb stehen, ging in die Hocke und zog ihn an sich. Es tut mir leid, sagte er. Sag das nicht. Du darfst das nicht sagen.
     
    Sie gingen durch die nassen Straßen zur Überführung zurück, holten die Jacketts und die Decke aus dem Auto, marschierten weiter zum Bahndamm, wo sie hinaufkletterten, die Gleise überquerten, in den Wald eintauchten, den Wagen holten und den Highway ansteuerten.
    Und wenn der kleine Junge niemanden hat, der auf ihn auf-passt?, fragte er. Wenn er keinen Papa hat?
    Dort sind Leute. Sie haben sich bloß versteckt.
    Er schob den Wagen auf die Straße und blieb stehen. Er konnte die Spuren des Lastwagens in der feuchten Asche erkennen, schwach und ausgewaschen, aber vorhanden. Er meinte sie riechen zu können. Der Junge zog an seiner Jacke. Papa, sagte er.
    Was denn?
    Ich habe Angst um den kleinen Jungen.
    Ich weiß. Aber ihm passiert schon nichts.
    Wir sollten ihn holen, Papa. Wir könnten ihn holen und mitnehmen. Wir könnten ihn mitnehmen, und den Hund auch. Der Hund könnte was zu essen fangen.
    Das geht nicht.
    Und ich würde dem kleinen Jungen die Hälfte von meinem Essen abgeben.
    Hör auf. Es geht nicht.
    Er weinte wieder. Was wird aus dem kleinen Jungen?, schluchzte er. Was wird aus dem kleinen Jungen?
     
     
    In der Dämmerung setzten sie sich

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