Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
Vom Netzwerk:
Karte wer- fen.
     
    Sie zogen den Wagen aus dem Buschwerk, mit dem sie ihn getarnt hatten, er richtete ihn auf und lud die Decken und die Jacketts ein, dann gingen sie hinaus auf die Straße, blieben stehen und sahen zu der Stelle hin, wo der letzte der zerlumpten Horde wie ein Nachbild in der bewegten Luft zu schweben schien.
     
     
    Am Nachmittag fing es wieder zu schneien an. Sie blieben stehen und sahen zu, wie die fahlgrauen Flocken aus der düsteren Trübnis herabschwebten. Sie trotteten weiter. Auf der dunklen Straßendecke bildete sich dünner Schneematsch. Der Junge fiel immer wieder zurück, und er blieb stehen und wartete auf ihn. Bleib bei mir, sagte er.
    Du gehst zu schnell.
    Ich gehe langsamer.
    Sie gingen weiter.
    Du redest schon wieder nicht mit mir.
    Ich rede doch.
    Willst du haltmachen?
    Ich will immer haltmachen.
    Wir müssen vorsichtiger sein. Ich muss vorsichtiger sein.
    Ich weiß.
    Wir machen halt. Okay?
    Okay.
    Wir müssen bloß eine geeignete Stelle finden.
    Okay.
    Der fallende Schnee umfing sie wie ein Vorhang. Weder auf der einen noch auf der anderen Straßenseite war etwas zu erkennen. Er hustete wieder, und der Junge fröstelte, während sie Seite an Seite, das Stück Plastikplane über ihre Köpfe gezogen, den Einkaufswagen durch den Schnee schoben. Schließlich blieb er stehen. Der Junge zitterte unkontrollierbar.
    Wir müssen haltmachen, sagte er.
    Es ist wirklich kalt.
    Ich weiß.
    Wo sind wir?
    Wo wir sind?
    Ja.
    Ich weiß nicht.
    Wenn wir sterben müssten, würdest du es mir dann sa- gen?
    Ich weiß nicht. Wir müssen nicht sterben.
     
     
    Sie ließen den Wagen auf der Seite liegend in einer Riedgraswiese zurück, er nahm die in die Plastikplane gewickelten Jacken und Decken, und sie machten sich auf den Weg. Durch das Riedgras kamen sie an einen Zaun, den sie durchstiegen, wobei jeder dem anderen mit den Händen den Draht herunterdrückte. Der Draht war kalt und knirschte in den Krampen. Es wurde rasch dunkel. Sie gingen weiter. Schließlich gelangten sie zu einem Zedernwäldchen, die Bäume tot und schwarz, aber noch voll genug, um den Schnee abzuhalten. Unter jedem ein kostbarer Kreis dunkler Erde mit Zedernnadeln.
     
     
    Sie ließen sich unter einem Baum nieder und häuften die Jacken und Decken aufeinander, dann wickelte er den Jungen in eine Decke und machte sich daran, die toten Nadeln zu einem Haufen zusammenzuscharren. Ein Stück weit vom Stamm entfernt, sodass das Feuer den Baum nicht in Brand setzen würde, räumte er eine Stelle von Schnee frei und schaffte Holz von den anderen Bäumen heran, brach Äste ab, von denen er den Schnee abschüttelte. Als er die Flamme des Feuerzeugs an den ergiebigen Zunder hielt, prasselte das Feuer sofort auf, und er wusste, dass es nicht lange vorhalten würde. Er sah den Jungen an. Ich muss mehr Holz holen. Ich bleibe in der Umgebung. Okay?
    Wo ist das, die Umgebung?
    Das heißt einfach, dass ich nicht weit weggehe.
    Okay.
     
    Der Schnee lag mittlerweile fünfzehn Zentimeter hoch. Er stapfte mühsam zwischen den Bäumen hindurch und sammelte die abgefallenen Äste auf, die aus dem Schnee ragten, und als er einen Armvoll zusammenhatte und zum Feuer zurückkehrte, war es zu einem Häufchen bebender Glut heruntergebrannt. Er warf die Äste darauf und zog wieder los. Schwer, da mitzuhalten. Im Wald wurde es dunkel, und das Licht des Feuers reichte nicht weit. Wenn er sich beeilte, verausgabte er sich nur. Als er zurückblickte, schleppte sich der Junge tief gebückt durch den Schnee und sammelte Zweige, die er in seinen Armen bündelte.
     
     
     
     
    Es schneite und hörte nicht auf zu schneien. Er blieb die ganze Nacht wach und stand dann und wann auf, um das Feuer wieder anzufachen. Er hatte die Plane auseinandergefaltet und sie im Schutz des Baumes an einem Ende hochgebunden, damit sie die Wärme reflektierte. Im orangefarbenen Licht betrachtete er das Gesicht des schlafenden Jungen, die eingefallenen, schwarzverschmierten Wangen. Er unterdrückte den Zorn. Sinnlos. Der Junge konnte wohl nicht mehr sehr weit gehen. Selbst wenn es zu schneien aufhörte, wäre die Straße so gut wie unpassierbar. In der Stille wisperte der Schnee herab, und die Funken stoben auf, verglommen und erstarben in der ewigen Schwärze.
     
     
    Er schlief halb, als er im Wald ein Krachen hörte. Dann ein zweites. Er setzte sich auf. Das Feuer war auf vereinzelte Flämmchen in der Glut heruntergebrannt. Er lauschte. Das lange, trockene Knacken abbrechender

Weitere Kostenlose Bücher