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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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gesagt.
    Ja.
    Und wo sind sie?
    Sie verstecken sich.
    Vor wem?
    Voreinander.
    Gibt es viele von ihnen?
    Das wissen wir nicht.
    Aber einige schon.
    Einige. Ja.
    Stimmt das?
    Ja. Das stimmt.
    Aber vielleicht stimmt es auch nicht.
    Ich denke, es stimmt.
    Okay.
    Du glaubst mir nicht.
    Doch, ich glaube dir.
    Okay.
    Ich glaube dir immer.
    Das glaube ich nicht.
    Doch, das tue ich. Das muss ich.
     
     
    Sie marschierten durch den Schlamm zurück zum Highway. Im Regen Geruch nach Erde und feuchter Asche. Im Straßengraben dunkles Wasser. Das aus einem eisernen Leitungsrohr in einen Gumpen plätscherte. In einem Garten ein Plastikreh. Spät am folgenden Tag gelangten sie in eine kleine Stadt, wo drei Männer hinter einem Lastwagen hervortraten und sich vor ihnen auf der Straße aufbauten. Ausgemergelt, in Lumpen gekleidet. In den Händen Rohrstücke. Was habt ihr in dem Wagen? Er richtete den Revolver auf sie. Sie blieben stehen. Der Junge klammerte sich an seine Jacke. Niemand sagte ein Wort. Er schob den Wagen weiter, und die Männer wichen zur Straßenseite aus. Er ließ den Jungen den Wagen übernehmen und ging rückwärts, den Revolver auf die Männer gerichtet. Er versuchte, wie ein gewöhnlicher umherziehender Killer auszusehen, aber sein Herz hämmerte, und er wusste, er würde gleich zu husten anfangen. Die Männer schoben sich wieder in die Straßenmitte und sahen ihnen nach. Er steckte den Revolver in den Gürtel, drehte sich um und übernahm den Wagen. Als er auf dem höchsten Punkt der Erhebung zurückblickte, standen sie immer noch da. Er sagte dem Jungen, er solle den Wagen weiterschieben, und ging durch einen Vorgarten bis zu einer Stelle, von der aus er die Straße überblicken konnte, doch nun waren sie verschwunden. Der Junge hatte furchtbare Angst. Der Mann legte den Revolver auf die Plane, übernahm den Wagen, und sie gingen weiter.
     
    Sie lagen bis zum Einbruch der Dunkelheit auf einer Wiese und beobachteten die Straße, doch es kam niemand. Es war sehr kalt. Als es so dunkel war, dass sie nichts mehr sehen konnten, holten sie den Wagen, stolperten zurück auf die Straße, er nahm die Decken heraus, sie wickelten sich darin ein und gingen weiter. Ertasteten den Asphalt unter ihren Füßen. Ein Rad des Wagens hatte rhythmisch zu quietschen begonnen, aber dagegen war nichts zu machen. Sie schleppten sich noch einige Stunden weiter, dann kämpften sie sich durch das Gestrüpp am Straßenrand, legten sich zitternd und erschöpft auf den kalten Boden und schliefen, bis es Tag wurde. Als er aufwachte, war er krank.
     
     
    Er hatte Fieber bekommen, und sie lagen im Wald wie Flüchtlinge. Keine Stelle, an der man ein Feuer hätte machen können. Kein sicherer Platz. Der Junge saß im Laub, den Blick auf ihn gerichtet. Seine Augen schwammen. Stirbst du, Papa?, fragte er. Stirbst du?
    Nein. Ich bin bloß krank.
    Ich habe richtig Angst.
    Ich weiß. Keine Sorge. Mir geht es bald wieder besser. Du wirst sehen.
     
    Seine Träume hellten sich auf. Die verschwundene Welt kehrte wieder. Längst gestorbene Verwandte fanden sich ein und bedachten ihn mit geisterhaften Seitenblicken. Keiner sagte etwas. Er dachte an sein Leben. So lange her. Ein grauer Tag in einer Stadt im Ausland, wo er an einem Fenster gestanden und auf die Straße darunter geschaut hatte. Hinter ihm auf einem Holztisch brannte eine kleine Lampe. Auf dem Tisch Bücher und Papiere. Es hatte angefangen zu regnen, und eine Katze an der Ecke drehte sich um, überquerte den Bürgersteig und setzte sich unter die Markise des Cafès. An einem Tisch saß eine Frau, den Kopf in die Hände gestützt. Jahre später hatte er in der verkohlten Ruine einer Bibliothek gestanden, wo geschwärzte Bücher in Wasserpfützen lagen. Umgekippte Regale. Irgendein Zorn auf die zu Tausenden in Reihen angeordneten Lügen. Er hob eines der Bücher auf und durchblätterte die schweren, aufgequollenen Seiten. Er hätte nicht gedacht, dass der Wert des geringsten Gegenstandes eine künftige Welt voraussetzte. Das überraschte ihn. Dass der Raum, den diese Gegenstände einnahmen, selbst schon eine Erwartung war. Er ließ das Buch fallen, warfeinen letzten Blick in die Runde und ging hinaus in das kalte graue Licht.
     
     
    Drei Tage. Vier. Er schlief schlecht. Der quälende Husten weckte ihn. Rasselndes Luftholen. Tut mir leid, sagte er zu der erbarmungslosen Dunkelheit. Ist schon okay, sagte der Junge.
     
    Er schaffte es, die kleine Petroleumlampe anzuzünden, stellte sie auf

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