Die Strozzi
Rückblick auf die späteren Ereignisse das Bedürfnis, seinen Bruder als einen guten Republikaner hinzustellen, doch war diesem, wie Briefe von ihm erkennen lassen, der Hofdienst tatsächlich eine Last. So klagte er seinem Bruder in der Zeit, als er in Rom auf ein Amt wartete, wie sehr ihm das vergnügungssüchtige Leben der römischen Höflinge zuwider sei: «Ich bleibe hier bei diesen Edelleuten zurück, die nur ihrem Vergnügen nachgehen und ihre Zeit so gut wie möglich vergeuden … Sie haben nichts anderes im Sinn, als täglich Maskenaufzüge und am Abend Musik zu veranstalten und die Zeit mit Frohsinn zu verbringen, ohne irgendeinem Geschäft nachzugehen oder auch nur an eines zu denken. Und ich hätte bei Gott es mehr denn je jetzt nötig, mein Gehirn anzustrengen, da ich bald ins Geschäft kommen muss.» Filippo hasste es,Zeit zu verschwenden. «Er kannte keinen größeren Verlust als den von Zeit», schreibt sein Bruder, weshalb er auch immer sehr schnell gegangen sei. Adliger Müßiggang war nichts für einen Spross von Kaufleuten und Bankiers, die Zeit war Kapital.
Das Bild des strengen jungen Mannes, der nur seine Geschäfte im Sinn hat, trifft jedoch nur zum Teil auf Filippo Strozzi zu. Als wahres Kind der Renaissance war er sehr wohl auch allen sinnlichen Freuden zugetan und schlug gerne über die Stränge, vor allem in Liebesdingen. Sein Bruder verheimlicht dies in seiner Vita auch gar nicht: «Er war vielleicht mehr, als es ihm zukam, den Lüsten zugeneigt», schreibt er, wenn er dies auch mit seiner Jugend und dem Einfluss seines Schwagers zu entschuldigen sucht. Filippo Strozzi frequentierte in der Zeit, als Lorenzo de’ Medici den Herrn von Florenz spielte, sehr eifrig einige Kurtisanen, die sich in einem Haus vor den Stadtmauern einquartiert hatten. Besonders eine von ihnen, die sich Camilla Pisana nannte, hatte es ihm angetan, eine nicht ungebildete Person, wie ihre Briefe an Filippo und Francesco Del Nero, seinen Begleiter bei diesen Freuden, erkennen lassen. Eine eifrige Korrespondenz zwischen der Kurtisane und ihrem schönen und reichen Liebhaber entspann sich.
Filippos Ehefrau Clarice sah dem Treiben nicht untätig zu. Bei einer Abwesenheit ihres Gemahls durchwühlte sie wie eine Furie den ganzen Palast, um Beweisstücke zu finden (sie entdeckte verdächtige Schlüssel unter einer Matratze), und suchte nach Briefen in Filippos Arbeitszimmer, wobei Francesco Del Nero sie eines Tages zufällig überraschte. Als sie ihn sah, brach ihre ganze Wut hervor. Sie beschimpfte ihn auf übelste Weise und warf ihn aus dem Haus. Es sei angemerkt, dass Francesco Del Nero nicht nur ein Freund Filippos, sondern auch sein Geschäftspartner war. Er kümmerte sich um Filippos Angelegenheiten in Florenz, wenn er abwesend war, und kam deshalb oft ins Haus. Dass er der Schwager Machiavellis war, tut hier nichts zur Sache. Da Filippo bei seinen nächtlichen Streifzügen auch einmal in ein Nonnenkloster eingestiegen war, wandte sich Clarice an die Dominikaner von San Marco und sogar an den Papst. Die stolze Medici wollte die Schmach von Filippos Eskapaden nicht auf sich sitzen lassen. Auch der Bischof kümmerte sich um den Fall, sodass Filippo Strozzi in ernste Bredouille kam. Er würde am liebsten einpaar Monate aus Italien verschwinden und in die Levante gehen, schrieb er an Del Nero.
Von den Kurtisanen konnte Filippo auch später nicht lassen. In Rom nahm er sich die hochkarätige Kurtisane Tullia d’Aragona zur Geliebten. Sie bestach weniger durch ihre Schönheit als durch ihre Bildung, die Filippo jedoch sehr schätzte; er wechselte sogar Sonette mit ihr. Er war so in sie vernarrt, dass er sogar in ihrem Beisein geheime politische Korrespondenz erledigte, was ihm von seinem Briefpartner Francesco Vettori besorgt zum Vorwurf gemacht wurde. Tullia war die Tochter einer Kurtisane und nannte sich nach ihrem leiblichen Vater, dem Kardinal Luigi d’Aragona, einem Sprössling des neapolitanischen Königshauses, der ihr eine humanistische Bildung hatte angedeihen lassen. Bartolomeo Cerretani, der florentinische Chronist, der noch den Lehren Savonarolas anhing, stellte den jungen Filippo Strozzi als Anführer einer Gruppe hin, die für ihre Ausschweifungen so bekannt war, dass sogar ein Fastenprediger von der Kanzel gegen sie wetterte. Freilich war Filippo Strozzi auch zu feineren Genüssen fähig. Er liebte die Musik, sang sehr gut und schrieb Verse, die so viel Anklang fanden, dass sie in Musik gesetzt
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