Die stumme Bruderschaft
den stürmischen Zeiten, die sie gerade durchlebten, über Geld und Informationen verfügten. Und diese beiden Güter verliehen ihnen eine besondere Macht, größer als die jedes Königs und sogar des Papstes.
Balduin hatte dem Templerorden ein paar Reliquien verkauft und war dafür großzügig bezahlt worden. Die Beziehung zwischen Balduin und Saint-Remy war von gegenseitigem Respekt geprägt. Der Ordensobere teilte Balduins Leid über die Lage des immer weiter schwindenden Reiches. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte der Templerorden ihm Geld gegeben, das er nicht zurückzahlen konnte. Als Bürgschaft hatte er Reliquien hinterlegt, die dann in den Besitz der Templer übergegangen waren. Andere Wertgegenstände würden erst wieder in den Palast zurückkehren, wenn der Kaiser seine Schulden beglichen hatte, und das war eher unwahrscheinlich.
Er schob die Gedanken beiseite und machte sich daran, Balduins Besuch beim Bischof vorzubereiten. Er musste mit gut bewaffneten Soldaten in Rüstung erscheinen. So vielen, dass es ausreichte, den Bischofspalast und die Blanchernenkirche, wo sich das Mandylion befand, zu umstellen.
Niemand durfte wissen, was sie vorhatten, um das Volk nicht in Aufruhr zu versetzen, vor allem aber den Bischof nicht, der Balduin für einen guten Christen hielt, der niemals die Hand gegen den kirchlichen Willen erheben würde.
Er wusste, auch der Kaiser dachte über diese Möglichkeit nach, und er würde in seiner Verzweiflung einsehen, dass er keine andere Wahl hatte, als König Ludwig das Mandylion zu übergeben.
Er ließ den Comte de Dijon rufen, um mit ihm die Einzelheiten der Übergabe des Grabtuchs zu besprechen. Der französische König hatte ihm genaue Anweisungen gegeben, was zu tun war, wenn sein Neffe ihm das Grabtuch aushändigte, und wie die Zahlung zu erfolgen hatte.
Robert de Dijon war damals etwa dreißig Jahre alt. Er war von mittlerer, kräftiger Statur, und mit seiner Hakennase und den blauen Augen hatte der französische Adelige das Interesse der Damen an Balduins Hof geweckt.
Der Diener, den de Molesmes geschickt hatte, konnte ihn nur schwer finden. Er musste andere Diener des Palastes bestechen, bis er ihn schließlich in den Gemächern von Donna Maria antraf, einer Cousine des Kaisers, die seit kurzem Witwe war.
Als der Comte de Dijon in der Kanzlei erschien, hatte er noch den Parfumgeruch der illustren Dame an sich.
»Sagt, de Molesmes, warum so große Eile?«
»Comte, ich muss wissen, was König Ludwig für Anweisungen gegeben hat, damit ich versuchen kann, ihnen nachzukommen.«
»Ihr wisst, dass der König wünscht, der Kaiser möge ihm das Mandylion überlassen.«
»Verzeiht, reden wir nicht lange drum herum. Wie viel ist Ludwig bereit, für das Grabtuch Christi zu zahlen?«
»Der Kaiser gedenkt also, seinem Onkel die Bitte zu erfüllen?«
»Comte, gestattet, dass ich die Fragen stelle.«
»Bevor ich sie beantworte, muss ich wissen, ob Balduin eine Entscheidung getroffen hat.«
De Molesmes stand mit zwei Schritten vor dem französischen Adeligen und sah ihn taxierend an. Er wollte wissen, wen er da vor sich hatte. Der andere ließ sich nicht beeindrucken und hielt dem Blick des kaiserlichen Beraters stand.
»Der Kaiser denkt über das Angebot seines Onkels nach. Aber er muss wissen, wie viel der französische König für das Mandylion zu zahlen bereit ist, wo es hinkommen soll und wer die Sicherheit der Reliquie garantiert. Ohne diese und andere Details zu kennen, kann der Kaiser kaum eine Entscheidung treffen.«
»Meine Anweisungen lauten: Ich soll die Antwort des Kaisers abwarten, und wenn Balduin bereit ist, Ludwig das Tuch zu übergeben, soll ich selbst es nach Frankreich zu seiner Mutter bringen, die darüber wachen wird, bis der König von dem Kreuzzug zurückkehrt. Ludwig will seinem Neffen zwei Säcke Gold vom Gewicht zweier Männer geben, dazu die Grafschaft Namur, und er will ihm Ländereien in Frankreich schenken, aus denen er eine ansehnliche jährliche Pacht beziehen kann. Will der Kaiser das Grabtuch aber nur für eine bestimmte Zeit verpfänden, wird er ihm ebenfalls zwei Säcke Gold geben, die Balduin zur gegebenen Zeit zurückgeben muss, um das Mandylion wiederzubekommen. Sollte er zu dem von beiden Seiten für die Rückgabe vereinbarten Zeitpunkt das Gold nicht zurückgeben, geht die Reliquie in den Besitz des französischen Königs über.«
»Ludwig gewinnt immer«, sagte de Molesmes verärgert.
»Es ist ein gerechter
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